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Das Leben: eine kafkaeske Realsatire

2. Juni 2008

So verstrickt war ich im verworrenen Netz der der amtlichen Bürokratie, dass ich den absurden Unsinn nicht mehr erkannte und monatelang einen überflüssigen Leidensweg auf mich nahm. Als hypnotisierter Staatsbürger trotte ich blind durch den Irrgarten der Behörden und fuchtelte martialisch gegen Windmühlen, die es gar nicht gab.

Alles begann mit dem offiziellen Umzug von H. nach M. im Januar 2008. In H. hatte ich neben meinem bescheidenen Callcenter-Gehalt und später zusätzlich zu meinem Krankengeld AlgII bezogen. Also stand es für mich außer Frage, dass ich mich nun an das Jobcenter in M. wenden musste, um weiterhin AlgII zu erhalten. Da meine Wohnung in H. zum 31.Januar gekündigt war, lebte ich für die Behörden erst seit dem 01.Februar in M. Dennoch suchte ich das Jobcenter bereits am 16.Januar auf, um keine Zahlungslücke entstehen zu lassen. Mir wurde ein riesiger Stapel an Formularen ausgehändigt, denn bei Ortswechsel musste ein kompletter Neuantrag gestellt werden. Ich wurde verhört, wie ich denn überhaupt darauf käme, umzuziehen. Ich hasse es, mich rechtfertigen zu müssen.
Weil ich vielleicht beinahe abgekratz wäre und wegen schwerer Krankheit nicht in der Lage war, mich selbst zu versorgen!
Auch wurde bemängelt, dass ich vor der Unterzeichnung meines Mietvertrages nicht um Erlaubnis gefragt hätte und überhaupt war es verdächtig, dass meine Eltern meine Vermieter sind.

Bereits einen Tag später, 17.Januar, fand ich eine Vorladung zur Arbeitsvermittlung am 27.02. im Briefkasten. Das durfte doch nicht wahrsein! Es war doch völlig unklar, ob ich überhaupt arbeitsfähig aus der Reha entlassen werden würde. Nur weil ich aufrecht sitzen konnte und kann, bedeutete das noch lange nicht, dass ich arbeitsfähig war/bin. Der Dämon des Leistungssystem grabschte nach mir mit aller Gewalt. Ich hasste das Leben, bekam eine Angstattacke und musste mich ritzen, um wieder herunter zu kommen. Ich fragte mich, was ich noch alles haben müsste, damit ich endlich in Ruhe gelassen würde, wenn Krebs, Borderline, Depression und Angst offenbar nicht reichten.

Sogleich wollte man einen Termin zur Antragsabgabe für kommende Woche machen, doch da stand die Rehaklinik auf meinem Lebensprogrammm. Oh während einer Reha habe ich sowieso keinen Anspruch auf AlgII. Stattdessen bekam ich Übergangsgeld von der Rentenversicherung, was ich natürlich auch wieder per Formular beantragen musste und dessen Bearbeitung vergessen wurde, wie sich bei einem Anruf der Sozialrechtsberaterin der Krebsberatungsstelle herausstellte. Wegen meiner Telefonphobie lasse ich die überaus freundliche Frau W. solcherart Telefonate für mich erledigen. Letztlich bekam ich das Übergangsgeld, es war jedoch noch etwas niedriger als das Krankengeld, aber dennoch hätte ich angeblich nicht Anspruch auf ergänzendes AlgII und ich beließ es dabei.

Wie an anderer Stelle dieses Blogs beschrieben, fühlte ich mich in der Rehaklinik vom irdischen Schmutz entrückt und weilte im geweihten Tempel der Poesie auf der Gralsburg. Die Aussicht nach dieser Schonfrist wieder im Höllenraum des Jobcenters vorstellig werden zu müssen, bereitete mir große Angst. Das Ausfüllen der Formulare war eine stundenlange Qual. Es gab Formulare, deren Inhalt ich nichtmal verstand und die ich aussortierte. Irgendwie ging es darum, ob man von einer dritten Person regelmäßig Mahlzeiten erhielt, was natürlich zu einer Kürzung des AlgII-Satzes geführt hätte. Ebenfalls ignorierte ich das Zettelwerk zur Feststellung meines beruflichen Werdegangs.
Einen AlgII-Antrag stellen, das bedeutet etliche Belege zusammensuchen, das bedeutet sein Vermögen, Versicherungen, Fonds zu offenbaren und die Kontoauszüge der letzten drei Monate offen zu legen. Eine Hilfeempfänger hat kein Recht mehr auf Privatsphäre.

Folgende Unterlagen wurden von mir angefordert:

  1. Gehaltsabrechnung der letzten drei Monate
  2. Arbeitsvertrag
  3. Lebensversicherung mit aktuellem Rückkaufwert
  4. Mitgliedsbestätigung Krankenkasse
  5. Nachweis über Krankengeld
  6. Schwerbehindertenausweis
  7. Nachweiß über Reha
  8. Mietvertrag
  9. Kontoauszüge
  10. Meldebestätigung
  11. Pass
  12. Einstellungsbescheid von H.
  13. letzter Bewilligungsbescheid von H.
  14. Sozialversicherungsausweis

Und so saß ich am 25.Februar zitternd vor Angst im Zimmer Nr. 13 und legte alles vor. Sogleich wurde die Höhe meiner Miete bemängelt, die Grundmiete sei zu hoch. Ich konnte es kaum glauben, schließlich hatten meine Eltern extra eine niedrige Miete veranschlagt: 291€ Grundmiete, 31,14€ Betriebskosten, macht 322,14 Gesamtmiete.

Erlaubt war jedoch nur für eine Person, maximal 45qm, eine Grundmiete von 268,65€. Dafür durften Nebekosten mit 81,00€ weit höher sein. Obwohl ich mit der Gesamtmiete also viel niedriger lag als erlaubt, wurde genau auf die Einhaltung der einzelnen Punkte geachtet. Daher wurde mir ein Schreiben ausgehändigt mit der Aufforderung, meine Mietkosten zu senken und meine Bemühungen der Suche nach einer billigen Wohnung nachzuweisen. Absurdistan.
Mein Mietvertrag wurde einfach den Vorschriften angepasst. Natürlich wird man für 268€ keine 45qm Wohnung bekommen, die Mieten in M. sind wegen der Nähe zum Flughafen sehr hoch, so dass AlgII Empfänger in einem 20qm Verschlag hausen müssen.

Schließlich händigte ich meine Absage des Arbeitsvermittlungstermins aus, da ich ja arbeitsunfähig aus der Reha entlassen worden war. Und dann ging es los!
“Wenn sie nicht arbeitsfähig sind, dann haben sie sowieso keinen Anspruch auf AlgII, dann müssen sie Sozialhilfe nach Sozialgesetzbuch XII beantragen. Allerdings muss ihre Arbeitsunfähigkeit erstmal festgestellt werden, dazu müssen sie zum medizinischen Dienst”.
Medizinischer Dienst? Amtsarzt? Das ultimative Grauen hat genau diesen Namen. Ich bekam eine Angstattacke und hyperventilierte, denn Begutachtet, gemustert und berwertet werden ist für mich die konzentrierte Verdammnis schlechthin. Die Sachbearbeiterin fragte einen Kollegen, um ganz sicher zu gehen und kam mit der Nachricht zurück, ich müsse auf jeden Fall zum medizinischen Dienst. Daraufhin wandelte sich die Angstattacke in einen Nervenzusammenbruch. Ich rannte kreischend und heulend auf den Flur hinaus und schrie, ich wolle endlich in Ruhe gelassen werden. Eher bränge ich mich um als zum medizinischen Dienst zu gehen.
Plötzlich hieß es, meine arbeitsunfähigkeit könne auch nach Aktenlage entschieden werden und ich müsse nicht persönlich vorstellig werden. Dazu musste ich mir den Reha-Abschlussbericht von meinem Hausarzt besorgen und hinschicken. Später kam nochmal ein Schreiben, in dem ich meine Ärzte und meine Beschwerden angeben musste.

Mittlerweile erhielt ich meine AlgII-Bescheid. Demnach wurden mir stattliche 11,69€ gezahlt. Der Betrag wurde nach Nachweis meine Abschlagzahlung für den Heizungsstrom (Nachtspeicheröfen) später auf 23,01€ erhöht.
Äh, was tat ich da eigentlich? Behördenstress, Angstattacken, Nervenzusammenbrüche, Ritzanfälle für 20€ im Monat?
In Hannover hatte ich immer Beträge über 100€ bekommen. Das lag aber daran, dass meine Miete in Hannover höher war und das meine Miete in voller Höhe anerkannt und mit einberchnet wurde, obwohl sie über dem zulässigen Satz lag. Wahrscheinlich verfuhr man mit Berufstätigen Hartz IV-Empfängern sanfter als mit Arbeitslosen und jagte Erstere nicht aus ihrer Wohnung hinaus. Diesen Umstand hatte ich bei der Antragstellung in M. nicht bedacht. Ich steckte einfach so in dem Tran drin, dass ich Hartz IV beantragen müsse, weil das Geld sonst nicht ausreiche. Wäre mir das Ergebniss vorher bekannt gewesen, hätte ich wahrscheinlich gar keine Antrag gestellt – oder doch? Schließlich brauchte ich jemanden, der meine Krankenversicherung bezahlte!

Wenig später erhielt ich ein Schreiben bezüglich der Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Arbeitsagentur. Mein Nervenzusammenbruch hatte Eindruck hinterlassen und es hieß, da ich gesundheitlich nicht in der Lage sei, persönlich zur Untersuchung zu erscheinen, würde nach Aktenlage entschieden. Dazu musste ich meine Beschwerden schildern und meine behandelnden Ärtze angeben. Kaum hatte ich das Schreiben zurück geschickt, kam auch schon die Feststellung meiner Arbeitsunfähigkeit, die offenbar allein nach dem Reha-Bericht gefällt worden war.
Da ich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand, verlor ich meine Anspruch auf AlgII und wurde amtlich aufgefordet, eine Antrag auf Sozialhilfe zu stellen, ein entsprechender Antrag war netterweise beigefügt.
Seltsamerweise zog ich die Antragstellung auf Sozialhilfe nie in Zweifel und gehorchte einfach der amtlichen Aufforderung, obwohl ich doch erfahren hatte, dass sich der Aufwand für das 20€-Ergebniss gar nicht lohnte. Aber da war ja noch die Krankenversicherung, die musste vom Sozialamt übernommen werden. Noch wußte ich nicht, dass die Krankenversicherung der Schlüssel zur Lösung war.

Nun ging wieder alles von Vorne los. Der Formularwust unterschied sich nicht wesentlich von einem Hartz IV-Antrag. Dennoch konnte das Sozialamt offenbar nicht auf meine bei der ARGE/Jobcenter hinterlegten Angaben zurückgreifen. Alles musste ich wieder von Vorne ausfüllen und die entsprechenden Belege zusammensuchen. Tagelang sammelte ich Mut, um endlich zitternd beim Sozialamt anzurufen und eine Abgabetermin zu vereinbaren. Ein Termin sei nicht von Nöten, ich könne einfach während der Sprechzeiten vorbei kommen. Leider befand sich das Sozialamt nichtmal in M. sondern in G., so dass ich eine Chauffeur benötigte, um dorthin zu gelangen. Schon Tage vor dem geplanten Bittgang zur Behörde litt ich unter Dauerangst.

Am 28.März war es soweit. Ich legte meinen Antrag auf dem Sozialamt vor. Die beiden Herrschaften, die den Antrag entgegennahmen meinten schnippisch: “Was haben sie noch zu bieten?” Es war mir zu blöd, darauf zu antworten. Daraufhin kramten sie eine Liste mit den vorzulegenden Nachweisen aus dem Schrank und hielten sie mir unter die Nase. Diesen Part gewann, denn als Behördenerfahrene hatte ich natürlich alles mitgebracht und knallte das Papierzeug auf den Tresen.
Ich bat darum, auf einem Stuhl Platz nehmen zu dürfen, schließlich wäre ich nicht hier, wenn ich nicht eine kranke Frau sei. Doch ein Stuhl wurde mir verweigert mit der Begründung, das sei hier nicht vorgesehen – und so krümmte ich mich mit Ischiasschmerzen am Tresen.
Dann hieß es, wer Sozialhilfe beziehe, müsse sich freiwillig bei einer Krankenkasse versichern und ich solle mich diesbezüglich sofort mit meiner Krankenkasse in Verbindung setzen. Also wieder ein Schreiben formulieren und wieder einen Antrag ausfüllen, in dem nach meinen Einkommen gefragt wurde. Irgendwie passte der Antrag auf freiwillige Versicherung nicht recht auf meine Situation, denn absurderweise bestand mein Haupteinkommen ja aus Krankengeld und weil das Formular die richtigen Felder nicht hergab, schickte ich ein Begleitschreiben mit.

Derweil fiel dem Sozialamt ein, dass es doch noch weitere Nachweise von mir benötige:

  1. Angabe von Name, Geburtsdatum, Beruf und Adresse meiner Eltern
  2. Bestätigung der Antragstellung auf freiwillige Krankenversicherung
  3. Lebensversicherungspolice mit aktuellem Rückkaufswert

zu 1)
Was sollte das denn? Wollten sie meine Eltern zum Zahlen meines Lebensunterhaltes verdonnern? Zum Glück wurden sie in Ruhe gelassen. Wahrscheinlich werden Rentner nicht mehr behelligt.

zu 3)
Bei einer privaten Rentenversicherung mit dynamischen Zuwachs verändert sich der Rückkaufwert. Bisher waren immer alle Ämter mit der ursprünglichen Police zufrieden gewesen, jetzt musste ich extra den neuen Rückkaufwert bei der Allianz anfordern.
Das bedeutet ja, dass die Ämter damit liebäugeln, mich zum Rückkauf meiner privaten Rentenversicherung zu verdonnern, damit sie sich zwei, drei Monate Zahlung sparen. Sehr kurzsichtig, denn um so mehr müssten sie im Alter für mich blechen. Das ist eine Unverschämtheit, denn:

  1. wird man von der Politik aufgefordert eine private Altersvorsorge zu treffen
  2. habe ich den Versicherungsbeitrag über lange Passagen von meinem AlgI und AlgII bezahlt

Na gut, offenbar gab der Rückkaufwert noch nicht genug her. Doch wie wird das in ein paar Jahren sein? Dann werde ich die Versicherung selbst rückkaufen und endlich in die Antarktis abhauben.

Natürlich hatte mir das Sozialamt wie üblich eine Frist gesetzt, bis wann ich alle Nachweise zugestellt haben sollte. Das ist schwierig, wenn ich die Nachweise erst an anderer Stelle anfordern muss und die verlangten Unterlagen nicht innerhalb der Frist eintreffen. So beging ich die Sünde und schickte mein Schreiben einen Tag nach Ablauf der Frist ab. Sofort hatte ich am nächsten Tag eine Mahnung im Briefkasten, in der ich nochmals aufgefordert wurde, die verlangten Unterlagen auszuhändigen. Bei der Gelegenheit wurden gleich noch mehr Nachweise verlangt, nämlich:

  1. Rentenbescheid bzw.
  2. Bescheid Übergangsgeld und Nachweis der Rentenantragstellung
  3. Nachweis ob weiter Krankengeld geleistet wird

Den Rentenantrag hatte ich allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht gestellt. Dabei war ich bereits am 29. Februar diesbezüglich bei der Krebsberatung vorstellig geworden. Doch Frau W. meinte, da ich erwerbsunfähig entlassen worden sei, würde sich die Rentenversicherung schon mit mir in Verbindung setzen und wahrscheinlich den Reha-Antrag in einen Renten-Antrag umwandeln. Von anderer Seite hatte ich dagegen schon wieder Schauergeschichten von ärtzlichen Untersuchungen gehört. Immer wenn ich einen Brief der Rentenversicherung in meinem Briefkasten fand, bekam ich weiche Knie und Herzrasen. Aber immer war es falscher Alarm, mal bekam ich ein Schreiben bezüglich des Übergangsgeldes, mal einen Fragebogen, wie ich die Rehabilitation beurteile, habe ich übrigens nicht ausgefüllt.
Am 25.März hatte ich einen Telefontermin mit Frau W. Sie rief für mich bei der Rentenversicherung an. Wie konnte es anders sein, der Reha-Bericht war noch nicht bearbeitet worden, aber nun würde er schnell weitergereicht werden.
Bei der Rentenversicherung wird grundsätzlich nichts ohne Nachhaken bearbeitet, das habe ich auch schon von anderen gehört.

Irgendwann bekam ich dann endlich den Zahlungsbescheid vom Sozialamt für Mai 2008 (bis April bekam ich AlgII). Ich bekam keinen Cent zum Lebensunterhalt. Wieso ich bei Hartz IV 23€ und bei Sozialhilfe nichts bekam, mag an einem Zuschlag liegen, den man nach dem Bezug von AlgI bekommt und der bei Sozialhilfe wegfällt. Dieser Zuschlag macht aber mehr Ärger als Nutzen, denn er verhindert, dass man sich von der GEZ-Gebühr befreien lassen kann, so dass dieses Geld von der GEZ aufgefressen wird.
Lediglich die Kosten für die freiwillige Krankenversicherung wollte das Sozialamt übernehmen, na immerhin. Allerdings lag der gezahlte Betrag mit 124€ rund acht Euro unter dem Krankenkassenbeitrag, denn laut Berechnungsbogen wurden mir 8€ vom Regelsatz 347€ abgezogen. Dieser Abzug trug den Titel Energiepauschale. ??? Was soll das denn sein? Das Sozialamt bezahlte keinen Penny Energiekosten an meinen Energieanbieter.
Dieses Rätsel konnte bis jetzt nicht gelöst werden.

Am 25.April war ich erneut bei der Krebsberatung. Ich hatte noch immer keine Nachricht von der Rentenversicherung. Weil ich nicht mehr warten wollte, hatte ich mich entschlossen nun den langen Weg zu gehen und selbst einen Rentenantrag zu stellen. Wieder hatte ich einen Berg von Formularen ausgefüllt, doch weil noch Fragen offen geblieben waren, bat ich Frau W. um Hilfe. Sie rief erneut für mich bei der Rentenversicherung an. Alles sei in Arbeit und es sehe gut aus. Der Rentenantrag sei bereits zu mir unterwegs.
Zudem fragte sie für mich bei der Krankenkasse nach, um einen Sachverhalt zu klären, der mich beunruhigte. Denn im Schreiben der Krankenkasse zu freiwilligen Versicherung hieß es, ich hätte keinen Anspruch auf Krankengeld. Nun war die Frage, ob das sich nur auf die Zukunft bezog, oder ob auch mein aktueller Krankengeldbezug davon betroffen sei. Die Sachbearbeiterin, mit der Frau W. telefonierste, wusste es nicht, aber sie wolle das Problem an eine andere Stelle weitergeben und ich könne kommenden Montag nochmal bei ihr nachfragen.
Die Unterlagen von der Rentenversicherung kamen wie versprochen, allerdings war der Antrag nicht vereinfacht wie Frau W. gehofft hatte, sondern neben dem Rentenantrag musste ich auch einen Antrag auf Kontenklärung stellen, da bei meinem zerbrochenen Lebenslauf noch viele Zeiten unklar waren.
Der Anruf bei der Krankenkasse brachte mich nicht weiter, denn die Sachbearbeiterin war nicht schlauer als zuvor und meinte, ich solle in einem anderen Büro anrufen. Doch das traute ich mich nicht.

Tapfer kämpfte ich mit den Rentenvordrucken, suchte verlangte Unterlagen wie Zeugnisse und Immartikulationsbescheinigungen zusammen und irrte durch M. Stadtbüros, um jemanden zu finden, der mir die Kopien bestätigte. Endlich gelangte ich zu einer Frau, die genau dafür zuständig war und mir einen schrecklich offiziell aussehenden Riesenstempel auf die Kopien drückte, die sie zuvor gründlich mit den Originallen verglichen hatte. Allerdings war sie nur für Vorlagen bei der Rentenversicherung zuständig. Sie fühlte sich außerstande, eine Kopie meines Sozialhilfebescheides zu beglaubigen, den ich für den Antrag auf GEZ-Befreiung benötigte. Auch keine andere Stelle wollte das tun, dafür sei die ARGE zuständig. Hä? In Hannover war es gerade anders herum gewesen, da hatte mich das Jobcenter an das Bürgerbüro verwiesen. Die ARGE hatte doch auch gar nichts mit meiner Sozialhilfe zu tun. Ich wollte doch nur eine beglaubigte Kopie haben, es muss doch bei der Stadt eine Stelle dafür geben. Alle weigerten sich.

Am 06. Mai war ich wieder bei der Krebsberatung, um meinen Rentenantrag mit Frau W. zu besprechen und die letzten Lücken auszufüllen, bei denen ich mir nicht ganz sicher war.
Bei der Gelegenheit rief sie für mich wieder bei der Krankenkasse an und nach einigem hin und her hatte sie endlich eine kompetente Frau am Telefon. Der Blick in meine Akte entsetzte sie. Wie sich herausstellte, war die freiwillige Versicherung völlig überflüssig. Denn so lange ich Krankengeld beziehe, bin über den Krankengeldbezug automatisch versichert. Das gilt erst recht während ich eine Rentenantrag laufen lasse.

Mit anderen Worten: Ich hätte mir den monatelangen Behörden-Terror einfach sparen können. Krankenversichert bin ich eh und Ämtergeld habe ich sowieso so gut wie keines bekommen. Doch als ungern braver und auf sein Recht pochender Staatsbürger steckte ich zu tief im Schlamassel, um das zu erkennen und habe mir das ganze letztlich selber eingebrockt. Trotzdem kann ich mir nicht wirklich eine Vorwurf machen, denn das ist nicht zu durchschauen, wenn man mitten drin steckt.
Ich zahlte das Geld an das Sozialamt zurück und stornierte meinen Antrag. Sollte ich in Zukunft wirklich eine EU-Rente bekommen, werde ich jedoch einen neuen Antrag stellen müssen, da meine Rente weit niedriger sein dürfte als mein Krankengeld, und alles geht von Vorne los.

Mittlerweile hat sich die Rentenversicherung bei mir gemeldet, da ich immer noch Lücken in meinem Lebenslauf hätte. Ich war darüber verärgert, denn ich hatte die Lücken absichtlich gelassen, weil ich für diese Zeiten eben keinen Nachweis im rentenversicherungsrechtlichen Sinn erbringen konnte und empfand das daher als Eindringen in meine Privatsphäre, auch wenn ich weiß, dass die Rentenversicherung es eigentlich gut meinte.

Desweiteren erhielt ich ein Schreiben der Krankenkasse, welches mich darauf Aufmerksam machte, dass mein Krankengeldbezug am 25.November 2008 ende, da dann die 78 Wochen Bezugsdauer abgelaufen sei. Diese Frist war mir bekannt und ist gesetzlich festgelegt. Deshalb verstand ich nicht, warum ich aufgefordert wurde, eine Stellungannahme dazu zu schreiben. Das ganze nannte sich Anhörung bei einem Verwaltungsakt. Was hätte ich denn schreiben können, um das Ende der Bezugsdauer zu verschieben? Nichts!
Was mich jedoch ärgerte war der Hinweis, nach Ende des Krankengeldbezuges müsse ich mich sofort arbeitslos melden. Wie bitte? Eine Krankheit endet doch nicht, nur weil das Fristende des Krankengeldes erreicht ist. Wieso schrieben sie nichts über die andere Alternative: Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen? Zumal eine Krankenkasse eine Patienten sogar dazu auffordern kann, einen solchen Antrag zu stellen. Aber nein, es ging alles nur wieder um die Versklavung durch das Leistungssystem.
Ich konnte nicht mehr an mich halten und schrieb folgendes in das Anhörungsformular:

Es ist mir bewusst, dass die Krankengeldzahlung nach 78 Wochen endet. Allerdings haben Krankheiten keinen Respekt vor Verwaltungsakten, deshalb ist es absurd, mir als einzige Alternative, den Gang zum Arbeitsamt zu empfehlen und die zweite Alternative, den Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu unterschlagen, zumal Ihnen die dorthingehende Empfehlung meiner Rehabilitation vorliegt. Keine Sorge, den Rentenantrag habe ich bereits gestellt. Der Sinn dieser Anhörung erschließt sich mir nicht, da ich das Ende der Krankengeldzahlung doch nicht verhindern kann. So untermauert Ihr Schreiben meine Hypothese: Ich lebe in einem Roman von Franz Kafka und hoffe daher, es möge nicht mehr allzu lange währen.

Sollte mein Rentenantrag bewilligt werden, wird der Beginn der Rente auf das Datum der Reha-Antragstellung (16.11.2007) rückdatiert. Sollte ich nur ein Jahr genehmigt bekommen, endet die Rente damit schon früher als der Krankengeldbezug und alles geht von Vorne los.
Es wird niemals aufhören, so lange ich lebe, werde ich durch den Mühlstein der Behörden gewalkt werden. Das Leben als Höllenerlebnis und Behörden als Vollstrecker des Teufels, aber das weiß ich ja schon lange.

Der Beitrag wurde am Montag 2. Juni 2008 um 13:54 veröffentlicht und wurde unter Persephones Perspektive abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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