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Die 132 € Propaganda

12. September 2008

Seit einigen Tagen geistert das 132 € Gespenst durch die Medien.

132 €, so die Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen und Christian Fischer
von der Universität Chemnitz, reichten für HartzIV-Empfänger zum Leben aus. Der derzeitige Regelsatz von 351 € sei zu hoch bemessen, da er sich am Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung orientiere. Mit ihrer Studie wollen die beiden Herren der kapitalistischen Propaganda belegen, dass das Existenzminimum bei 132 € läge.
Diesen Betrag ermitteln sie an Hand eines fiktiven Warenkorbes, der für eine gesunde, männliche, rational handelnde, 70 kg schwere Person gelten solle. Ja, ist klar, der Durchschnittsmensch ist natürlich ein gesunder, normalgewichtiger Mann, wie ihn die Kapitalisten lieben. Wie wäre es dagegen mit einer dicken, kranken Frau?

Die Preise, mit denen die Herren Fischer und Thießen rechnen sind abenteuerlich. So soll 1kg Brot für 0,50 C zu haben sein, und 1kg Nudel sollen nur 0,60 € kosten. Äh, wann waren die zum letztenmal einkaufen? Die Zeiten, in denen man für 29 Cent ein 500g Packet Nudeln bekam, sind lange vorbei. Mittlerweile zahlt man 55 Cent und damit für 1kg Nudeln 1,10 €.
Für ein paar Winterschuhe werden satte 9,95 € veranschlagt. Huch, ich kaufe ja schon günstige Schuhe, aber nicht mal 10€ für Winterschuhe, wo gibt es denn so was? Und auch acht Rollen Toilettenpapier sind nicht für 1,04 € zu bekommen. Ich kaufe schon immer das billigste Klopapier, aber das kostet 1,50 €
Diese Liste ließe sich immer weiter fortsetzen. Die Zahlen habe ich dem Blog: Nachdenkseiten entnommen.

Ein eigenes Telefon kann man sich bei diesem Betrag nicht mehr leisten, geschweige den Internet. Für die Teilnahme am kulturellen Leben werden sage und schreibe ein Euro veranschlagt. Davon kann man sich nicht mal eine Zeitung kaufen, oh doch, eine Fernseh-Zeitung. Etwas anderes als Fernsehen kann man sowieso nicht mehr machen.
Die ein Euro seien als Leihgebühr für die örtliche Bibliothek gedacht. Hier soll man auch das Internet benutzen, um in den Jobbörsen eine Arbeit auszugraben. Nur bieten nicht alle Bibliotheken einen Internetanschluss. Außerdem muss man erstmal hinkommen. Ein Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr in Großstädten ist unerschwinglich. Und wer bibliothekslos auf dem Dorf wohnt hat eben Pech gehabt.
Was ist, wenn Haushaltsgegenstände oder gar ein Elektrogerät kaputt geht? Leben ohne Herd, Waschmaschiund Kühlschrank? Friseurbesuche Fehlanzeige.

Eines steht fest: ein menschenwürdiges Leben ist mit 132 € nicht möglich. Aber wer nicht arbeitet, aus welchem Grund auch immer, ist so wieso kein Mensch sondern ein Schmarotzer.

Und so geht es immer weiter. Man könnte das ganze als dämmliche Spinnerei zweier gelangweilter, überbezahlter, inkompetenter Sonderlinge abtun, die irgendwie auf einen universitären Posten gelandet sind und nun nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen wollen.
Doch leider ergießen sich immer mehr dieser schwachsinnigen Veröffentlichungen aus dem Giftkessel des Neo-Manchesterkapitalismus zwecks Indoktrination über das Volk. Die Wirtschaftsbose und ihre politischen Handlanger versuchen den Boden für die Abschaffung der Sozialleistungen und weiteres Lohndumping vor zu bereiten.
Immer wieder wird gejammert, es gäbe keinen Anreiz, eine Arbeit anzunehmen, weil man nicht mehr als den AlgII-Satz verdiene. Daraus folgern die Kapitalisten natürlich, das AlgII sei viel zu üppig bemessen. Andersherum darf es nicht sein, denn gerade das Drücken der Löhne ist en vouge und mit einer Absenkung des HartzIV Satzes auf 132 € könnte man auch die Löhne ins Bodenlose fallen lassen.

Bei den Reaktionen auf die unselige Studie zieht sich ein Riss durch die Bevölkerung. Viele sind entsetzt und werfen der Studie Zynismus und Realitätsverkennung vor. Andererseits gibt es genug Blödheinies, die es ganz toll finden, den arbeitsfaulen Parasiten die Stütze zu kürzen, damit die endlich ihren Arsch hoch kriegen und zum Discountpreis Seele und Leib an den Teufel des Kapitalismus verkaufen, so wie sie es längst getan haben und während sie innerlich von ihrer scheiß Arbeit aufgefressen werden, spielen sie nach außen den stolzen Arbeiter, zufrieden mit ihrem Sklavendasein.
Diese Missgunst mancher Leute gegenüber AlgII-Empfängern zeugt von schlechtem Charakter und widert mich an. Die tun immer so, als würde das Sozialgeld aus ihren eigenen Taschen gestohlen. Es ist das alte jungsche Schattenspiel. Man zeigt mit dem Zeigefinger auf den eigenen, nach außen projizierten Schatten. Gähn, trotzdem habe ich dafür kein Verständnis.

Mittlerweile haben Fischer und Thießen ihrem Machwerk als Reaktion auf die hagelnde Kritik eine Päambel vorgestellt. Darin heißt es:

Die Studie hat auch offen gelegt, dass die Bedürfnisse vieler Menschen nach Arbeit und Anerkennung, deren notwendige Befriedigung man auch aus den Zielen der sozialen Mindestsicherung herauslesen kann, nicht ausreichend erfüllt werden. Viele wollen sich einbringen und etwas leisten, was heute sehr schwierig geworden ist. Die Studie zeigt, dass man hier ansetzen muss, unser Sozialsystem positiv nach vorne zu entwickeln.

Äh wie jetzt? Die Arbeitslosen kriegen zu viel Geld und sollen gefälligst mit 132€ im Monat auskommen. Darin spiegelt sich das Bedürfnis der Menschen nach Arbeit und Anerkennung wieder.
Hä, was ist denn das für eine Verknüpfung? Mit diesem Geschwaffel klatschen sie noch einen drauf, der Hohn schlechthin.
Ah jetzt verstehe ich. Die Kürzung auf 132€ ist natürlich nur zu unserem Besten, denn sie ermöglicht uns ein intensiveres Suchen nach einem Hunger-Job, der uns ach so viel Anerkennung einbringt. Die kapitalistische Vokabel Anerkennung bedeutet übersetzt: Dumpinglohn, Arschtritte, Ausbeutung, Angst, Stress, Druck.

Alles dreht sich natürlich wieder um das protestantisch-kapitalistische Gesetz: Nur wer einer Erwerbsarbeit nachgeht ist ein guter, gottgefälliger Mensch. Arbeitseifer als moralische Instanz, Arbeit als Mittelpunkt des Lebens. Immer häufiger ist zu lesen, Arbeit sei wichtig für das seelische Wohlbefinden. Nur wer Arbeit und damit das Gefühl habe von der GEmeinschaft gebraucht zu werden, könne seine seelische Mitte finden.
Hierbei werden jedoch zwei völlig verschieden Dinge durcheinander geworfen. Das eine ist Erwerbsarbeit, die man machen muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das andere ist die Berufung, die Tätigkeit für die man von Natur bestimmt ist, die innere Erfüllung bringt. Es ist selten, dass sich Erwerbsarbeit und Berufung decken. Die meisten machen ihren Geldjob mit verhaltenem Murren, andere leiden und werden krank davon, glücklich ist keiner.
Es ist ein geschickter Zug der Propagandamaschine der Wirtschaft, den öden Geldjob als Naturbedürfnis des Menschen zu verkaufen. Daraus leiten sie ab, die Kürzung der Sozialleistungen sei nur zum besten der Empfänger, denn die faulen Säcke müsse man eben zu ihrem Arbeitsglück zwingen.

Mon dieu ist das alles gruselig. Einmal mehr befinde ich mich auf dem Planeten der Bescheuerten und Bekloppten. Ich will hier weg!

Der Beitrag wurde am Freitag 12. September 2008 um 19:51 veröffentlicht und wurde unter Persephones Perspektive abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

2 Kommentare

  • RavenRaven sagt:

    Die Studie selbst ist nicht einmal 132 € wert.
    Eigentlich ist es ein Skandal, dass so ein paar abgehobene Wissenschaftler mit fetter Brieftasche aus irgendeinem realitätsfernen Elfenbeinturm ein paar Zahlen herfantasieren und damit so ein Echo auslösen, denn diese Studie ist der letzte Schrott.

    1. Wie mehrfach bewiesen wurde, z.B. auch in jener Woche in SternTV, bekommt man selbst in einer Großstadt nach Abklappern sämtlicher Discounter keines der Produkte zum angegebenen Preis. Die Herren waren wahrscheinlich seit einigen Jahrzehnten nicht mehr selbst einkaufen.

    2. Was soll denn das für eine absurde Berechnungsbasis sein? Ein gesunder, rational handelnder, 70kg schwerer Mann? Auf wieviele Menschen trifft das zu? Auf mindestens 50% der Menschen jedenfalls schon mal nicht, wobei der Anteil der Frauen, Übergewichtigen und Kranken unter den Hartz4-Empfängern aus diversen Gründen sogar noch höher als im restlichen Teil der Bevölkerung sein dürfte.

    Pecht gehabt, 10 € Praxisgebühr ist in den fürstlichen 132 € schon mal nicht drin, und wenn man Kopfschmerzen oder ähnliche Problemchen haben sollte, kann man sich zwar zur Not auch etwas Rezeptfreies in der Apotheke besorgen, muss dann aber auf 2 oder 3 Tage Nahrung verzichten. Von der ggf. notwendigen monatlichen Packung Tampons oder Antibabypillen für die vernachlässigte Personengruppe ganz zu schweigen.

    Dass die Absenkung von Hartz4 auf so einen lächerlich niedrigen Betrag absolut menschenverachtend sein würde, sollte klar sein. Sollte es – Gott bewahre! – jemals so kommen, kann ich jedem Hartz4-Empfänger nur raten, einen Bankraub zu begehen. Wenn’s klappt, schön, wenn nicht, auch gut. Die Verpflegung im Knast dürfte luxeriöser sein.
    Was für ein Hohn.

  • PersephonePersephone sagt:

    @Raven:
    Die Studie kommt sicher nicht zufällig zu einer Zeit heraus, in der über eine Erhöhung der Regelsätze wegen der gestiegenen Lebenserhaltungskosten nachgedacht wird. Diese 132€-Studie soll wohl beweisen, dass es den Hilfebedürftigen ohnehin zu gut geht. So ein Quatsch wird dann mit dem Stempel wissenschaftlich versehen, um glaubwürdig zu klingen, was nicht nur eine Beleidigung für Hilfeempfänger sondern auch für die Wissenschaft ist, denn es wird mit Fantasiepreisen gearbeitet.
    Den maroden Banken werden Hunderte von Milliarden in den Arsch gepumpt, aber für Menschen ist kein Geld da. Da ist wahrhaft menschenverachtend. :kotz:

    Wie Du schon sagt ist der Anteil von Frauen, Übergewichtigen von Kranken bei HartzIV und Grundsicherung höhe als in der Durchschnittsbevölkerung. Grundsicherung bekommt man ja dann, wenn man nicht arbeiten gehen kann, weil man krank ist oder ein Kind oder Angehörigen pflegt, was meistens Frauen tun.
    Es kotzt mich auch, dass hier irgendein Durchschnittsmensch zur Berechnung herangezogen wird, der allenfalls eine statistische aber keine menschliche Erscheinung ist.

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