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Ausgebrannt

10. April 2007

Jedes Jahr fürchte ich mich vor den Tagen, in denen die Herrschaft des Lichtes beginnt, in denen das Leben aus der Winterruhe erwacht und die Menschen lachend aus ihren Unterschlüpfen in den Sonnenschein laufen.
Ich fürchte mich vor der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche, weil dann die Zeit beginnt, in der meine düstere, schmerzliche Innenwelt inkongruent zur hellen, fröhlichen Außenwelt ist und Inkongruenz verbraucht Energie. So wundert es nicht, dass ich in jenen ersten Frühlingstagen besonders schlapp und müde bin. Dazu kommt noch die Zeitumstellung auf diese total bescheuerte Sommerzeit und die Tatsache, dass Frühjahr und Sommer weit reizintensiver sind als Herbst und Winter, am schlimmsten sind dabei die auf den Straßen gackernden und johlenden Menschen.

In dieser Zeit trat erstmals ein körperliches Symptom auf, welches sich wie Seitenstechen anfühlte, das bei ungewohnter körperlicher Anstrengung auftritt, nur mit dem Unterschied, dass dieses Seitenstechen unabhängig von körperlicher Betätigung war und ausschließlich auf der rechten Seite auftrat. Eine körperliche Störung der Leber konnte ich ausschließen, da keines der mit Leberstörungen assoziierten Symptome auch nur ansatzweise auf mich zutrifft, das Seitenstechen mich in meinem Allgemeinbefinden in keinster Weise beeinträchtigt und die Schmerzen krampfartig bei seelischen Befindlichkeitsstörungen auftreten.

In diesem Zusammenhang erhellend ist die seelische Signatur der Leber, die auf somatischer Ebene bekanntlich als Entgiftungszentrale des Organismus fungiert. Psychisch bedingte Schmerzen in der Lebergegend deuten demnach auf eine Vergiftung der Seele hin. Einige interessante Hinweise habe ich in einem Aufsatz über die Organsprache in der chinesischen Medizin gefunden.

“Die Leber reagiert emotional, sie steht für Kampf, Durchsetzung, Expansion, Fortschritt und Selbstverwirklichung. Fühlt sich der Mensch in seinem Ausdruck behindert, so stagniert das Qi und somit auch das Blut, es können unter Anderem Migräne, Verdauungsbeschwerden, hoher Blutdruck oder auch Menstruationsschmerzen bestehen und gleichzeitig Frustration, Reizbarkeit und Aggression. [...] Wut ist die der Leber zugeordnete Emotion. Eine Disharmonie kann sich durch viel Wut oder die Unfähigkeit Wut zu empfinden und sie auszudrücken, zeigen.”
Die äußere Quelle für Durchsetzungskämpfe und Vergiftung ist schnell gefunden: der Job im Callcenter.
Die Anruferzahlen sind wegen einer Umstrukturierung und Fusion der auftraggebenden Fluglinie explodiert und selbst eine Aufstockung des Personalbestandes führte nicht zu einer Entlastung für den einzelnen Mitarbeiter. Ein Callcenter-Job ist extrem reizintensive Akkordarbeit. Man muss ständig den Kopf für Dinge hinhalten, die man werder zu verantworten hat noch beeinflussen kann. Das Aggressionspotential und Anspruchsdenken der Anrufer ist erschreckend hoch, deren Luxusprobleme ich angesichts des wirklichen Elends auf der Welt sowieso nicht ernst nehmen kann. Wer sich darüber beschwert, dass er wegen einer Flugzeitänderung sein sechsmal im Jahr angeflogenes Ferienhaus in Spanien ein paar Stunden später als geplant errreicht, hat doch nicht alle Tassen im Schrank. Ich hatte mir sogar schon überlegt, ob ich es überhaupt moralisch vertreten kann, bei einem Low-coast-carrier zu arbeiten, der mit verantwortlich ist für den steigenden Flugverkehr und damit auch für die steigende CO2-Emission. Aber dieses Thema will ich hier nicht vertiefen.
Es ist klar, dass ich auf Grund meiner extremen Hochempfindlichkeit nicht für einen Callcenter-Job geeignet bin, auch wenn sich das nach außen wegen der für HSPs typischen gewissenhaften Arbeitsweise anders darstellt. Innerlich richtet mich diese Arbeit zu Grunde.
Ich habe mich zwar dem Personaldisponenten gegenüber als HSP geoutet, weil ich es leid war, dass man mir immer wieder Wochenarbeitszeiten über 30h reindrücken wollte. 30h sind das absolute Maximum für diese Art von Arbeit und auf Dauer schon zu viel. Zu meiner Überraschung stieß ich sogar auf Verständnis, so dass ich in den folgenden Wochen nie über 30h und nie 6 Tage-Wochen arbeiten musste.
Dennoch machten sich in der letzten März-Dekade die beschriebenen Symptome bemerkbar. Ich fühlte wie der grimmige Saturn langsam sein Blei in meine Glieder goß und ich wußte, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sich die Notabschaltung aktivieren würde. Der medizinische Diagnoseschlüssel dafür lautet dann Depression oder noch besser die landläufige Bezeichnung Burn Out.
Viele meiner Kollegen arbeiten seit Monaten 50h/6-Tage Wochen (und mehr). Wie sie das aushalten, weiß ich nicht, denn bei diesem Arbeitspenusm müssten doch auch weniger sensitive Gemüter schlapp machen. Früher oder später werden sie das wahrscheinlich auch tun, da es ja keine Arbeit ist bei der man sich frei entfalten kann, wie das bei Selbstständigen der Fall ist, für die 50h Wochen sicher normal sind.
Die Tatsache, dass ich schon bei 30h schlapp mache, zeigt mir, wie gering meine Energiereserven sind und wie viel Energie im ewigen Kampf mit den Schmerzen meiner kaputten Seele verbraucht wird. Diese Schmerzen werden mich immer begleiten, denn Zeit heilt meine Wunden nicht, ganz im Gegenteil, jeder Tag, der verstreicht, vergrößert den Mangel und intensiviert den Hunger.
Irgendwann, ich glaube, es war Anfang März, gab es eine Rundmail, in der Freiwillige für eine Nachtschicht gesucht wurden, in der dann telefonfreie Aufgaben wie Faxe bearbeiten erledigt werden sollten. Trotz meiner Bedenken wegen meiner Empfindlichkeit für Zeitrhythmen, hatte ich mich dafür gemeldet, um der Telefonie zu entfliehen. Dann war von dieser Nachtschicht allerdings nicht mehr die Rede.
Als nächstes gab es eine interne Stellenausschreibung, in der als zusätzliche Tätigkeit neben der Telefonie das Beantworten von Kundenanfragen per e-mail angeboten wurde. Dort hieß es unter anderem:
“Diese zusätzliche Tätigkeit richtet sich an alle Mitarbeiter, die eine besondere Bereitschaft und Spaß an der Bearbeitung von schriftlichen Aufgaben”

Ja, ja, SCHREIBEN***SCHREIBEN***SCHREIBEN
Wenn nicht ich, wer sonst? Flux schrieb ich eine wohlformulierte Bewerbungsmail.
Da ich jedoch die Gemeinheiten des Universums kenne, hatte ich wenig Hoffnung, für die erlösende Schreibstelle ausgewählt zu werden.
Am Montag, 26.03.2007, erreichte die nervliche Anspannung ihren vorläufigen Höhepunkt und ich fragte mich, wie ich den Dienstag überstehen sollte. Na gut, dachte ich, lassen wir es drauf ankommen, bis ich mit einem Nervenzusammenbruch zusammenklappe.
Doch dann kam ganz unverhofft die Rettung. Am Dienstag wurde ich zur neuen Schreibtätigkeit abkommandiert, ebenso am Mittwoch und die restlichen Tage der Woche.
Nachdem ersten Schreibtag wurde ich gelobt: ich könne ja so schön schreiben, ach was! ;-)

Doch Freitag folgte schon wieder Desillusionierung. Plötzlich hieß es, dass wir keine Kapazitäten zur Mailbearbeitung entbehren könnten und diese Aufgabe an ein kooperierendes Callcenter in Köln abgetreten würde. Es war ein Freitag der Tränen.
Auf der anderen Seite wurde ich wegen meiner Meldung zum Nachtdienst angesprochen. Die Nachtschichten würden nun eingeführt werden, allerdings der Gestalt, dass man nachts alleine die Stellung halten und die Airportline (quantitativ harmlos) bedienen muss. Man sei dann die verantwortliche Person und habe mehr Befugnisse als normal. Das klang gut und ich stellte mich zu einer Probenachtschicht zur Verfügung, auch wenn der Dienst acht Stunden dauert, ich bin ja nur sechs Stunden Schicht am Tag gewöhnt.
Allerdings konnte ich es nicht fassen, dass mir in der selben Woche wie die 8h Nachtschicht auch noch eine 9h Schicht am Ostersonntag reingewürgt wurde. Ich dachte, ich hätte das mit dem Personaldisponenten geklärt, dass mich so lange Arbeitszeiten überreizen. Ich brach vor Überforderung in Tränen aus und stand heulend vor dem Chef, der mir die Schicht auf 5h kürzte.

Die Nachtschicht fand ich sehr angenehm, da die Ruhe paradiesisch war. Beim erstenmal war ich noch nicht alleine, es war noch ein Supervisorin da, die mich einarbeitete. Ich hatte nicht mit Müdigkeitsattacken zu kämpfen. Klar ist in der Stunde zwischen 3:00 und 4:00 der Tiefpunkt erreicht, weil man dann normalerweise im Tiefschlaf liegt, aber danach wird man wieder etwas munterer. Problematisch ist nur, dass man am Vormittag natürlich nicht so gut schlafen kann wie nachts und man den ganzen Tag ziemlich müde ist, deshalb würden mehrere Nachtschichten hinter einander sicher anstrengend werden. Dennoch malte ich es mir schön aus: eine Woche drei Nachtschichten und vier Tage frei und die Woche drauf eine normale Tagschicht-Woche.
Aber auch hier wurde ich schon während der ersten Nachtschicht desillusioniert, denn die Supervisorin meinte, dass es diese Nachtschicht nur im April gebe, dann würde wahrscheinlich eine andere Stelle damit beauftragt.
Dieses hin- und her ist zum Kotzen. Das klang zuvor alles ganz anders, da hieß es noch, es würden mit den Nachtarbeiter extra Gespräche geführt und Verträge abgeschlossen, da mehr als der gesetzlich vorgeschriebene Nachtzuschlag gezahlt werden solle.
Ich hasse es: da wird man immer mit einer neuen Tätigkeit angefixt, eine Tätigkeit, die mehr Ruhe verspricht und die Möglichkeit, etwas Neues zu lernen, bietet, und dann heißt es wieder, April, April, war nur ein Scherz.

Der einzige Trost war, dass ich trotz der Freitagaussage: die Mailbearbeitung würde abgezogen werden, die ganze Zeit weiter e-mail Schreiben durfte und nicht telefonieren musste. Hatte man endlich Erbarmen mit mir?
Fakt ist, dass die Schreibtätigkeit mich erstmal vor dem Zusammenbruch bewahrt hat. Aber das Ganze steht auf Messers Schneide. So bin ich zwar laut Dienstplan die ganze KW 15 für die Mailbeantwortung eingeteilt. Dennoch wurde ich am Dienstag, 10.04.2007, erstmals seit dem 26.März wieder zur Telefonie abgezogen. Ich zitterte vor Angst und mir wich alle Kraft aus den Gliedern, ich wollte nicht wieder der Kundenmeute zum Fraß vorgworfen werden, auf dass sie mir wieder ihr Gift in die Leber injizieren. Ich bin so extrem dünnhäutig und das Aufrechterhalten eines Panzers verbraucht so viel Kraft, die ich immer weniger habe.
Glücklicherweise war der Spuk bald vorbei, nach drei Stunden durfte ich wieder in den kleinen, stillen Raum zum Schreiben gehen.
Das bedeutet, dass ich nie weiß, was mich erwarten wird, jederzeit kann ich aus der Ruhe gerissen und als Kanonenfutter an die Front geschickt werden. Verlangt wird eine springende Flexibilität bis zum Zerbrechen, aber ich bin nicht flexibel. Ich habe ein hohes Sicherheitsbedürfnis, brauche meinen selbstbestimmten Rhythmus und meine Rituale.

Auf web.de habe ich einen interessanten Artikel dazu gefunden: “Veränderungen in der Arbeit: zu schnell für die Seele”
Darin heißt es:

“Für die Dynamik und die raschen Veränderungen in der Arbeitswelt ist die menschliche Seele nicht schnell genug. [...]
Viele kommen mit den beschleunigten Prozessen intellektuell klar, seelisch jedoch nicht. Die Folgen sind häufig Burn-Out und Depressionen. Die Zahl der Krankheitstage wegen psychischer Erkrankung habe allein von 1997 bis 2004 um 68,7 Prozent zugenommen. Die Arbeitswelt sei weniger kontrollierbar für den einzelnen geworden.

Meine Rede, meine Rede. Dieses ganze System ist der Wahnsinn.

Natürlich habe ich mir auch schon überlegt, die Stelle zu wechseln. Aber wo soll ich hin? Mal davon abgesehen, dass Arbeitsplatzsuche zu dem Schauerlichsten gehört, was die Oberwelt zu bieten hat, werden keine Stellen angeboten, die für mich geeignet wären. Eine stille Tätigkeit wie Schreiben oder Rechnen in einem ruhigen, abgedunkelten Raum ohne Telefon und Kundenkontakt, bei der man mit niemandem sprechen muss.
Wo gibt es sowas in dieser kommunikationsgeilen Zeit?
Die einzigen Jobs, die zu haben sind, sind andere Callcenter-Jobs oder irgendwelche Scheußlichkeiten im Außendienst/Akquise.

Manchmal wünsche ich mir, ich würde einfach tot vom Stuhl fallen oder morgens nicht mehr aufwachen. Nicht, dass mir der Tod als Erlöser erschiene. Von allen Glaubenssystemen ist mir sogar der Glaube an ein Nicht-Weiter-Existieren nach dem Tode das Symphatischste, weil das System der ewigen Wiedergeburten an Grausamkeit nicht zu überbieten ist und auf das Fegefeuer habe ich auch keine Lust, wobei ich ja sowieso der Meinung bin, dass ich mich gerade im Fegefeuer befinde, anders kann ich mir den Schwachsinn, den die meisten hier für ganz selbstverständlich nehmen, nicht erklären.

Irgendwie bin ich ein Relikt aus einer längst versunkenen Epoche. Ich sehne mich nach dem Frieden der Eiszeit. Mit diesem Leben hier, mit Calls im 30 Sekunden-Takt, komme ich nicht mehr mit.

Zum Schluß noch ein Zitat aus meinem aktuellen Lieblingslied “Wer wird weinen”? der Gothic-Gruppe Herbstschmerz, welches mir aus dem Herzen spricht.

Einsam war ich in meinen Leben
Darum suchte ich Erlösung
Das wonach wir alle streben
Liebe, Trost und Hoffnung

Doch wurde mir nichts von dem gewährt
Alleine und verlassen
Doch nun wo das Leben aus mir fährt
Beginnt die Trauer zu verblassen

Der Beitrag wurde am Dienstag 10. April 2007 um 20:38 veröffentlicht und wurde unter Persephones Perspektive abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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