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Persephones Welt » Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel?

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Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel?

9. Februar 2007

So heißt ein Buchtitel der Psychotherapeutin Andrea Brackmann

Zum erstenmal begegnete mir dieses Buch vor einigen Wochen auf der Website *Zart besaitet* für Hochsensitive Menschen. Ich interessierte mich jedoch nicht dafür, da ich Hochbegabung nicht mit mir und meinen Lebensumständen in Verbindung bringen konnte. Hochbegabt, dass waren für mich irgendwelche seltenen Ausnahmeerscheinungen, die mehrere Schulklassen überspringen, mit 15 Abitur machen, mit 20 ihre Doktorarbeit schreiben und mit 30 die ultimative Formel zur Beschreibung des Universums finden.

Wenig später, erschüttert von einer erneuten Mißerfolgs-Serie auf dem Feld der zwischenmenschlichen Beziehungen, suchte ich im www nach Gründen für soziale Deprivation, aus deren leerenden Umklammerung ich mich bis heute nicht befreien konnte. Der gefundene Wikipedia-Artikel liste als exogene Faktoren eine Reihe von sozialen Risikogruppen auf. Ich bin weder Seniorin noch Studentin, nicht alleinerziehend, keine Migrantin, weder arbeitslos noch chronisch krank, blieb als letzte Gruppe noch die Hochbegabung übrig.
Nun bin ich als Jungianerin aufmerksam für Synchronizitäten und hielt es an der Zeit, mich mit dem Thema Hochbegabung zu beschäftigen, einige websites aufzusuchen, das oben genannte Buch zu bestellen und diverse IQ-Tests im web, u.a. den Vortest auf der Mensa-Homepage zu absolvieren.
Mensa ist ein Verein für intelligente Menschen, in dem nur Mitglied werden kann, dessen IQ mindestens bei 130 liegt.

[inspic=14,,,0]
[inspic=15,,,0]

Nach all diesen mehr oder weniger validen Tests und meiner eigenen Intuition vertrauend, schätze ich meinen IQ irgendwo zwischen 120 und 130 liegend und damit knapp unter der offiziellen Definition für Hochbegabung: IQ > 130 liegend.
Im Gegensatz zur Hochsensitivität, die eine klar distinkte Eigenschaft ist, befindet sich Intelligenz auf einem Kontinuum, so dass man nicht ab IQ 130 plötzlich in ein anderes Menschsein hineinfällt, vielmehr können die mit hoher Intelligenz verbundenen “Symptome” auch schon im 120er IQ Bereich auftreten, hier sind sich Andrea Brackmann und das Netzwerk für Hochbegabte Erwachsene einig.

Psychogramme

Andrea Brackmann beginnt ihr Buch mit der Schilderung einiger Psychogramme hochbegabter Jugendlicher. Auch wenn das noch nichts weiter zu sagen hat, so habe ich mich in einigen Verhaltensweisen so treffend wieder erkannt, dass ich sie hier zitieren möchte.

Anna Charlotte geht am liebsten barfuß und haßt es, Strümpfe zu tragen.

Schmunzel, willkommen im Club der notorischen Barfußgänger ;-)

Sarahs Pubertät hat wie bei vielen Hochbegabten deutlich verfrüht eingesetzt. Jetzt ist Sarah vierzehn und interessiert sich für Literatur und Psychologie. Sie liest Hermann Hesse, Siegmund Freud, C.G.Jung und Paul Satre.[...]
In den Pausen zieht sich Sarah fast immer mit einem Buch in die Bibliothek oder eine Ecke des Schulhofes zurück”

Eines Tages ging ich durch den Schulkorridor und entdeckte an der Wand einige Photos mit Schulanekdoten. Darauf erkannte ich auch mich, wie ich in der Pause Shakespeare las. Darunter hatte man irgendeinen Spruch geschrieben, so viel wie: “Manche können selbst in der Pause das lernen nicht lassen.”
Ich hatte nicht bemerkt, dass man mich heimlich photographiert hatte.

“Autoritäten, die ihr nicht als solche erscheinen, lehnt sie offen ab. [...]
Obwohl Sarah nach außen hin rebelliert (und oft mit Recht), fühlt sie sich innerlich isoliert und verunsichert, weil sie niemanden hat, der sie in ihrer Wahrnehmung bestätigt und so ähnlich ist wie sie. Sarah ist [...] besonders gefährdet, aufgrund iher Isolation eine seelische Störung zu entwickeln. Sie läuft Gefahr, sich immer irgendwie anders, fremd und außenstehend zu fühlen und an ihren eigenen Wahrnehmungen und Meinungen zu zweifeln. Dies kann eine tief greifende Verunsicherung bewirken, die unter besonders ungünstigen Bedingungen in Depression, Drogenmissbrauch und impulsiven Verzweiflungstaten mündet.”

Die Adoleszenz war auch für mich die Zeit, in der ich merkte, wie sich zwischen mir und dem Rest der Welt ein stetig wachsender Graben auftat. Andere Mädchen interessierten sich für Jungs, Mode, Disco, Popgruppen, Rauchen. Sie schlossen sich zu Cliquen zusammen und trafen sich abends auf der Straße, um abzuhängen, über den ersten Kuss oder das erstemal zu tuscheln. Ich gehörte nie zu einer Clique und es gab keinen ersten Kuss oder erstesmal, über das ich hätte tuscheln können. Eine Weile versucht ich krampfhaft eine Popgruppe zu finden, deren Fan ich sein wollte, aber der einzige Musiker, dem ich verfallen bin, damals wie heute, ist der gute alte Meister Richard Wagner. Und so ging ich lieber in die Oper statt in die Disco, lernte Texte von Wagneropern auswendig, schrieb ein Mittelalterlexicon, absolvierte den Funkkolleg Musikgeschichte, sammelte Hefte zur Kunstgeschichte, pflegte mein Heimweh mit dem nächtlichen Blick durch ein Teleskop und so weiter und so fort.

“Jonathan ist elf Jahre alt und interessiert sich für Politik, Astronomie, Geographie und Geschichte. Er verschlingt Lexika, Atlanten und Nachschlagewerke. Im Fernsehen sieht er sich gerne wissenschaftliche Sendungen, Nachrichten und politische Diskussionen an.”

Jonathans Interessen-Panoptikum war auch das meine im Alter von elf Jahren und genau wie er hing meine Nase häufig in Lexika und Atlanten. Sonntagmittag um 12:00 sah ich immer die Diskussionsrunde “Fühschoppen”. Damals liefen gerade Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Israel und ich wurde Fan des ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat, der gemeinsam mit seinem israelischen Kollegen Begin den Friedensnobelpreis bekam. Ja, ja, ich habe es mit dem Nobelpreis :-) Wenig später las ich sein Buch “Unterwegs zur Gerechtigkeit”. Einige Jahre später, mit 15, war ich Fan von Leo Trotzki und las dessen Buch “Verratene Revolution”. Ich weiß nicht, was es mir sagen soll, dass beide Herren politisch motivierten Attentaten zum Opfer fielen. Was ich in diesem Kontext nur ausdrücken will ist, dass meine Interessen wenig mit den üblichen Beschäftigungen eines Teenagers zu tun hatten. Damals war ich noch so tief in meiner Welt versponnen, dass ich diese Interessen-Divergenz nur am Rande mitbekommen habe oder sie hat mir zumindest nichts ausgemacht. Die Krise kam erst, als ich durch einen Schulwechsel aus meinem etablierten Umfeld herausgerissen wurde.

Hochsensitivität als Merkmal der Hochbegabung

Als nächstes macht sich Andrea Brackmann in ihrem Buch Gedanken darüber, dass alle hochbegabten Klienten an einer erhöhten Erregbarkeit des Nervensystems leiden, mit anderen Worten: alle von ihr untersuchten Hochbegabten sind gleichzeitig Hochsensitive Personen (HSP). Wer meinen oder andere Aufsätze zum Thema HSP gelesen, wird es nicht wundern, dass zwischen Hochsensitivität und Hochbegabung (HB) ein Zusammenhang bestehen muss.

“Vieles deutet darauf hin, dass Hochbegabung auf einer Fähigkeit des Gehirns beruht, Informationen schneller und komplexer zu verarbeiten, als es Normalbegabten möglich ist.[...] Es ist daher nur schlüssig anzunehmen, dass Hochbegabte Reize aller Art intensiver und komplexer verarbeiten.”

Hochbegabte neigen dazu, den Dingen auf den Grund gehen zu wollen, ständig sind sie am analysieren, fragen nach dem Warum, beleuchten einen Sachverhalte von allen Perspektiven und fühlen sich am Ende verwirrt und orientierungslos im eigenen Gedankendschungel. Andrea Brackmann läßt eine Hochbegabte zu Wort kommen:

“Mir kommt oft die Selbstverständlichkeit des Lebens abhanden. Wenn ich anfange, über weltpolitische Fragen nachzudenken, gelange ich über Überlegungen zur Evolution des Menschen schnell zur Frage über den Sinn des menschlichen Lebens und ende dann beim Rätsel des gesamten Universums überhaupt”

Dieser Satz hätte exakt so von mir stammen können, denn über all diese Fragen zerbreche ich mir tagtäglich den Kopf. Ich sinniere so viel über den Sinn des Lebens nach, dass ich darüber das Leben verlernt habe, oder eher das Leben nie gelernt habe.
Für wen das Grübeln über Ursprung, Expansionsrate und Zukunftsprognose des Universum tägliche Beschäftigung ist, ist bei so etwas simplen wie Smalltalk hoffnungslos verloren. Frau Brackmann führt die oft gestellte Frage “Wie geht´s” an, um die Schwierigkeiten der HBs zu beschreiben.
Diese Frage stellt auch mich immer wieder vor Probleme. Ich weiß ja, dass ich als Antwort nur die Floskel “Danke, gut” geben sollte, aber es ist mir zu wider, zu lügen, denn meistens geht es mir nicht gut. Ich versuche dann innerlich einen Mittelwert aus meiner Stimmungstiefs, Tränenmenge und Euphoriespitzen zu bilden und das ganze in Worte zu kleiden, nur wartet natürlich niemand darauf, bis meine interne Rechenmaschine den aktuellen Befindlichkeitsparameter ermittelt hat und ich ärgere mich jedesmal, wieso jemand eine Frage stellt, deren wahrhaftige Beantwortung ihn einen Dreck interessiert.

“Was für de meisten von uns selbstverständlich ist, ist für Hochbegabte oft ein kompliziertes und anstrengendes Unterfangen. Wann muss ich lächeln? Wann und wem gibt man die Hand? Wie ehrlich darf ich Fremden gegenüber sein? Was genau antworte ich, wenn jemand sagt: Jetzt erzähl doch mal von dir?”

Das schlimmste aber ist, wann muss ich jemanden grüßen? Muss ich jemanden grüßen, den ich nur vom Sehen kenne? Will der überhaupt von mir gegrüßt werden? Auf wieviel Meter Abstand muss er herankommen, bevor ich grüße? Wie ich festgestellt habe, wollen viele Leute nicht von mir gegrüßt werden. In meinem Wohnhaus gibt es Leute, die meinen Gruß grundsätzlich nicht erwidern. Ich hasse diese Grüßerei, und deshalb vergesse ich auch oft zu grüßen oder tue es absichtlich nicht.

Nach außen mögen HBs oft intellektuell, kopflastig und unterkühlt wirken, dabei handelt es sich jedoch um einen Schutzpanzer, hinter dem sie ihre emotionale Verletztlichkeit und intensiven Gefühle verbergen.

“Oft reicht eine winzige Störung oder ein trauriger Bericht, um mich aus der Fassung zu bringen. [...] Die inneren Impulse und Affekte werden außerordentlich stark erlebt. [...] Das Aushalten ihrer starken, wechselhaften und vielschichtigen Gefühle fordert häufig viel Anstengung und Kraft.”

Wahr gesprochen Frau Brackmann! Mein Seelenschmerz ist oft so intensiv, dass ich glaube, ich werde gleich sterben, und dann, wenige Sekunden später, tanze ich ekstatisch zu einem Mittelalter-Rock-Lied.

“Gleichzeitig ist die besondere Intensität der Gefühle und die hohe Ansprechbarkeit der Wahrnehmung zum Beispiel bei Malern, Schriftstellern und Musikern eine fortwährende und unabdingbare Quelle der Kreativität”

Nach einer kurzen Schilderung der sensorischen Überempfindlichkeit gegen Lärm, Licht, Hitze (besonders die Hitzerempfindlichkeit, an der ich auch leide, kommt immer wieder vor), Menschenansammlungen beschreibt Andrea Brackmann die soziale und emotionale Entwicklung Hochbegabter. Während der Pubertät wird Einsamkeit für nicht wenige Betroffene zum leidigen Thema.

Einsamkeit und Selbstzweifel

“Hochbegabte Jugendlich verbringen nach Auffassung zahlreicher Autoren auch deshalb mehr Zeit alleine, weil sie zu Individualismus und Nonkonformismus neigen, höhere Ansprüche an Freundschaften stellen oder sich intensiv ihren Interessen und Talenten widmen.
Dennoch bleibt die Frage offen, ob hochbegabte Jugendliche das Alleinsein aus freien Stücken wählen oder es als kleineres Übel betrachten. Wie wir in der Beschreibung von Jonathan und Sarah gesehen haben, ziehen die Betroffenen einsame Aktivitäten vor, weil sie keine Kontakte zu anderen finden, die ihnen ähnlich sind. [...] Bei näherer Betrachtung zeigen sich in vielen Fällen Gefühle von Misstrauen, Enttäuschungen und Unsicherheit im Hinblick auf soziale Erfahrungen.”

Auch im Erwachsenenalter bleibt das Gefühl, von einem anderen Stern zu stammen, erhalten. Dabei wissen die wenigsten HBs, dass sie hochbegabt sind, da ihre Probleme im sozialen Umgang an ihrem Selbstwertgefühl nagen und sie ihre Leistungen auf Grund ihres Perfektionsstrebens immer als ungenügend bewerten, achten sie besonders auf ihre Defizite und fürchten unterdurchschnittlich begabt zu sein.

Ich habe auch immer das Gefühl, ich weiß noch viel zu wenig, um mein Wissen in der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Deshalb könnte ich nie Therapeutin werden, obwohl ich als Persephone-Frau die Anlage dazu hätte, aber ich würde selbst nach drei Doktortiteln immer noch denken, mein Wissen sei ungenügend. Es dämmert mir zwar langsam, dass andere, die sich zum Eso-Counselor aufschwingen, auch nicht mehr wissen als ich, aber im Gegensatz zu mir sind sie sozial geschickter, können sich besser darstellen und glauben an sich und ihre Fähigkeiten.

Dennoch sind die meisten Hochbegabten beruflich erfolgreich und arbeiten in akademischen Berufen, wo man sie auch erwarten würde. Das trifft jedoch nicht auf alle zu, wie ich aus eigener Erfahrung und der Lektüre des Forums für Erwachsene Hochbegabte weiß. Leider geht Frau Brackmann auf die “Underachiever”, wie sie im Fachjargon genannt werden, nicht weiter ein.
Auch das Kapitel “Liebe und Partnerschaft” ist kurz gehalten, denn allein dieses Thema könnte ganze Bibliotheksregale füllen und ist eben nicht der Schwerpunkt dieses Buches. Vielleicht ist mir das noch einen eignen Blog-Eintrag wert: Die Tragödie der intelligenten Frau.

Freundschaften

Dass der Aufbau von Freundschaften schwierig ist, ergibt sich aus dem bisher gesagten. Wer in der Jugend während Schulzeit, Ausbildung oder Studium nicht die Basis für ein soziales Netz legt, hat ein erhöhtes Risiko für den Rest seines Lebens einsam zu bleiben.

“Ebenso wie hochbegabte Kinder stellen auch hochbegabte Erwachsene in Freundschaften hohe Ansprüche an Fairness, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Loyalität. Sie wünschen sich ein ebenbürtiges Gegenüber, das an lebhaftem Austausch und intensiven Gespärchen interessiert ist. [...]
Da viele Hochbegabte in Bezug auf Freundschaften auf eine Reihe negativer Erfahrungen zurückblicken, sehen sie sich in ihren Befürchtungen schnell bestätigt: wieder einmal ist der potenzielle Freund mehr an einem oberflächlichen Kontakt interessiert; wieder einmal zeigt sich, dass man sich nur auf wenige Menschen verlassen kann. Unzulänglichkeiten anderer werden auf diese Weise überinterpretiert und der Hochbegabte zieht sich enttäuscht zurück. [...]
Mit dem Blick auf den großen Freundeskreis anderer zweifeln Hochbegabte manchmal an ihrer sozialen Verträglichkeit oder dem Recht auf ihre hohen Ansprüche.”

Ist das nun des Rätsels Lösung, warum es bei mir mit den Freundschaften nicht klappt? Sind die Normalos zu dumm, um Freundschaften zu pflegen? Nein, das kann nicht sein, dazu muss man doch nicht besonders schlau sein, und untereinander vernetzen sie sich doch zu riesigen Bekanntenkreisen. Doch offenbar unterscheiden sich die Verbindungsmarker von HBs so grundlegend von den Verbindungsmarkern der Normalos, dass nur instabile Verbindungen zwischen HB und Normalo herauskommen. Bliebe als einzige Ausweg, sich in die Gesellschaft anderer HBs zu begeben. Deshalb schreibe ich seit neustem im Forum für Hochbegabte Erwachsene. Wobei der IQ allein ja noch lange keine Sympathie und Freundschaftsfähigkeit garantiert und da auch nicht alle HBs unter einer so ausgeprägten Einsamkeit wie ich leiden, könnte Hochbegabung zwar einen großen Brocken, aber nicht die alleinige Ganzheit zur Erklärung meines Problems liefern.

Seelische Störungen und Hochbegabung

Was mich an dem Buch am meisten verblüfft hat, ist die Tatsache, dass Andrea Brackmann sowohl das Asperger Syndrom als auch die Borderline Störung mit Hochbegabung in Verbindung bringt.
Beide Störungsbilder sind auf dem ersten Blick extrem unterschiedlich und scheinen zu völlig anderen Dimensionen zu gehören. Da sind auf der einen Seite die in sich gekehrten Autisten, die kaum in der Lage sind Beziegungen zu ihrer Umwelt auszunehmen, sozial ungeschickt sind, alles wortwörtlich nehmen, kaum Gefühlsregungen zeigen, kein Gespür für die Empfindungen ihrers Gegenübers haben und sich lieber bis zum Exzess mit Dingen oder Sachthemen beschäftigen. Da sind auf der anderen Seite die exaltierten Borderliner mit ihrer Beziehungssucht, ihren Stimmungsschwankungen und ihrer Fähigkeit andere zu manipulieren.
Dennoch hatte ich mir beide Störungen nacheinander, mich jeweils in verschiedenen Lebenssituationen befindend, einmal selbst diagnostiziert und mir schon lange den Kopf darüber zerbrochen, wieso ich mich einmal als Aspie und ein Jahr später als Bordie sehen konnte. Mittlerweile denke ich, dass ich nach wie vor sowohl Aspie-Züge als auch Bordie-Züge haben, die Ausprägung in beiden Fällen jedoch nicht groß genug ist, um eine medizinische Diagnose zu rechtfertigen.
Und nun halte ich in diesem Buch plötzlich das fehlende Verbindungsglied in den Händen. Sollte das wirklich der Schlüssel sein, nachdem ich so lange gesucht habe?

Frau Brackmann schreibt über Bordies und Aspies:

“Diese beiden Personengruppen weißen viele Gemeinsamkeiten auf: Dazu gehören die extrem intensiv erlebten Gefühle und heftigen emotionalen Reaktionen, sowie die Abmehrmechanismen, um diese aushalten zu können; die geringe Frustrationstoleranz und die Selbstverletzung; die Überempfindlichkeit der Sinneswahrnehmung und die Angst vor körperlicher Nähe und Berührung; Gefühle der Isolation und Einsamkeit sowie die Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen; die Sehnsucht nach Kontakten und zugleich die Angst davor; die Verzerrungen oder Besonderheiten in der Wahrnehmung; und nicht zuletzt die überwiegend hoch ausgeprägten intellektuellen oder künstlerischen Fähigkeiten.
Ein wesentliches, gemeinsames Merkmal wäre also eine neuronale Übererregbarkeit, welche sich in Überaktivität des Denkens, emotionaler Hypersensibilität und Überempfindlichkeit der sinnlichen Wahrnehmung äußert”

Früher dachte ich immer, Autisten bzw. Aspies seien zufrieden in ihrer eingesponnen Welt und hätten gar nicht das Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Austausch, in Wirklichkeit ist alles ganz anders. Viele Aspies leiden am Scheitern ihrer Kontaktversuche und entwickeln Depressionen und Ängste.
Ich stelle mir vor, wie ich reagieren würde, wenn man mich in eine überfüllte Disco voller Techno-Krach und blitzenden Stroboskoplichtern aussetzen würde. Ich würde Amoklaufen und mir mit meinem ganzen Kampfgewicht den Weg zum Ausgang frei boxen. Nun stelle ich mir vor, dass ein Autist ein noch viel sensibleres Nervensystem wie ich hat. Für einen Autisten wirkt schon die geringste Abweichung in der Struktur des Alltags wie ein Techno-Koller. Sie haben gar keine andere Wahl, als sich von der Umgebung abzuschotten. Hier liegt auch der Grund für ihre Sprachlosigkeit, sie sind zu überwältigt von der Welt, um noch Worte zu finden. Auch die bei Autisten häufig beobachteten monotonen Beschäftigungen, die als Zeichen ihrer Stupidität genommen werden, dienen einzig und allein der Selbstberuhigung.

Andrea Brackmann meint deshalb, die mit Hochbegabung einhergehenden Phänomene liegen auf einem Kontinuum, an dessen extremen Ende der Autismus liegt.

“Autisten wären demzufolge extrem hochbegabte Menschen, also Persönlichkeiten mit einer extrem ausgeprägten geistigen Aktivität, emotionalen Hypersensibilität und sensorischer Übererregbarkeit.
Zu diesen Hypothesen passen zahlreiche Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Introversion, Reizsensibilität und Intelligenz. [...]
Je höhrer der Intelligenzquotient einer Person ist, umso introvertierter ist sie; und je introvertierter sie ist, umso sensibler reagiert sie auf Umweltreize.”

Nach den Autisten beschäftigt sich Andrea Brackmann in ihrem Buch mit den Borderlinern. Ihr fiel auf, dass alle von ihr behandelten Bordies zu den Hochbegabten zu zählen sind. Auch in der Fachliteratur finden sich dezente Hinweise auf die besondere Befähigung dieser als schwierig und bei Therapeuten unbeliebt geltenden Personengruppe. So erwähnen Kreismann & Straus (1992):

“Borderline-Persönlichkeiten sind oft sehr intelligent und zeigen eindrucksvolle künstlerische Fähigkeiten. Weil sie leicht Zugang zu starken Emotionen haben, können sie kreativ und erfolgreich sein.”

Auch Gneist (1995) bescheinigt Boderlinern eine scharfe Beobachtungsgabe, Sprachgewandtheit, Witz und Kreativität – Eigenschaften, die mir mein Psychologe auch bescheinigt hat ;-)

Systematische IQ-Tests gehören jedoch nicht zur Standard-Untersuchung von Boderlinern dazu, so dass Andrea Brackmann ihre These nicht beweisen kann. Sie bedauert, dass die Fähigkeiten der Borderliner in der Fachwelt sogar häufig negativ bewertet werden, weil Bordies angeblich ihre Begabungen dazu einsetzen würden, um andere Menschen, allen voran die Therapeuten, zu manipulieren. Fühlen die Therapeuten sich nur manipuliert, weil sie nicht damit umgehen können, dass ihnen der Patient geistig überlegen ist?
Aber wieso sollen Hochbegabung und Borderline-Störung überhaupt zusammenhängen? Die meisten Bordies haben traumatische Erfahrungen in ihrer Kindheit gemacht. Die bedrohliche Umgebung in der sie aufwuchsen, hat ihnen ein hohes Maß an Erfindungsreichtum, Flexibiität, Wachsamkeit und Aufmerksamkeit abverlangt.

“Das brachte mich zu der Überlegung, dass die hohe Intelligenz und ausgeprägte soziale Sensibilität hochbegabter Kinder Bedingungen dafür sein können, unter extremen seelischen und körperlichen Belastungen die typischen Merkmale des Borderline-Syndroms und kein anderes Störungsbild zu entwickeln.”

Die Vorstellung eines eindimensionalen, zwischen zwei Polen liegenden Kontinuums reicht nicht aus, um Hochbegabung, Introversion, Autismus und Borderline-Syndrom zusammen zu bringen. Ich kann mir das nur als dreidimensionalen Cluster vorstellen, in dem diese drei Bereiche bestimmte Schnittmengen bilden. Nicht jeder HB ist Autist oder introvertiert oder leidet am Borderline-Syndrom. Nicht jeder Autist oder Bordie ist hochbegabt, aber es scheint beachtliche Schnittmengen und Zusammenhänge zu geben.

Mir liegen noch einige Zitate aus dem Buch das Borderline-Syndrom betreffend am Herzen, in denen ich mich so vortrefflich wiedergefunden habe.
Hier eine checkliste der Boderliners Anonymous:

  • Hast du das Gefühl, ich bin anders, mit mir stimmt etwas nicht, ich gehöre nicht dazu?
  • Grübelst du wieder und wieder über dich nach, suchst Erklärungen für dein Verhalten, deine Gefühle, dein Denken und verstehst dich nicht?
  • Erlebst du Schmerz und Leid anderer Menschen z.B. in Gesprächen, Filmen, Nachrichten so als wäre es dein eigenes?
  • Fühlst du dich inmitten von Menschen unbehaglich oder gerätst in Panik?
  • Erlebst du abrupt extreme Gefühlsänderungen ohne erkennbare Ursache?
  • Lebst du oft im Gefühl großer Einsamkeit und Leere, auch wenn du unter Menschen bist und viel unternimmst?
  • Hast du eine große Sehnsucht nach Partnerschaft und Nähe, erlebst jedoch auch schnell Panik davor?
  • Verletzt du dich selber?
  • Bist du von Menschen anfangs ganz begeistert und ziehst dich dann von ihnen zurück, weil sie dich enttäuscht haben

Zum Schluß ihrer Ausführungen über Borderliner schreibt Andrea Brackmann:

“Borderline versuchen unablässig einen Platz in der Welt zu finden. Sie suchen stets nach einem Partner, nach sozialen Kontakten, nach Therapeuten und nach Gründen für ihre Probleme. Häufig erleben sie jedoch, dass sie bei dem Versuch sich anderen anzuschließen, scheitern. Sie suchen den intensiven Kontakt zu anderen mit einer Hartnäckigkeit, die für sie selbst quälend und für andere befremdlich ist. Die Sehnsucht, beschützt, verstanden und geliebt zu werden, ist oft übermächtig. Ebenso wie der Wunsch, sich zugehörig zu fühlen und eine stabile Identität zu finden, in dem sie Resonanz erfahren, die ihnen Sicherheit und Halt bietet. [...] Fast alle Borderliner berichten von dem Gefühl der Heimatlosigkeit und dem starken Wunsch, sich zu Hause fühlen zu können.”

Gemäß all dieser Aussagen bin ich eine Bordie mit Herz und Seele.

Fazit – und was bin ich jetzt?

An der Länge dieses Eintrags läßt sich unschwer erkennen, wie sehr mich dieses Thema beschäftigt hat. Immerhin liefert mir die Autorin das missing link zwischen Asperger- und Borderline-Syndrom – und dieses missing link heißt Hochbegabung.
Ist das nun die Einweihung in die höheren Mysterien des Bedingungsgefüges meines vermurksten Lebens?
Ich fasse nochmal für mich zusammen:

  • Ich eine hochsensitive Person
  • Ich bin eine Borderlinerin
  • Ich erziele nach wie vor hohe Werte beim Selbsttest auf Asperger S.
  • In meiner Biographie finden sich Parallen zu den Lebensbildern aus dem Buch

Jetzt fehlt nur noch das alles entscheidende Kriterium: die Intelligenz.
Sicher, dumm bin ich bestimmt nicht, aber ob ich all diese abstrakten, lebensfremden Aufgaben eines IQ-Tests so viel besser löse als 98% der Menschheit, bezweifle ich stark. Bin ich vielleicht doch nur eine durchschnittlich begabte Bildungsbürgerin, die Mangels sozialer Kontakte zu viel Zeit zum Bücher lesen hatte und sich halbseidenes Wissen hiervon und davon angeeignet hat, ausreichend um weniger belesene, aber dafür glücklichere Menschen, zu beeindrucken, aber nicht ausreichend, um sich großkotzig hochbegabt nennen zu dürfen?
Andererseits, was ist schon toll daran, hochbegabt zu sein? Der Rest der Menschheit versteht einen nicht, soziale Kontakte scheitern, man wird von der Welt überwältigt, grübelt ohne Unterlass, bis sich die Hirnwindungen entzünden, man blickt neidisch auf die glücklichen Normalbürger hinüber und fristet sebst ein einsames Dasein am Abgrund der Existenz. Natürlich geht es nicht allen HBs so, es gibt ja auch die super Glücklichen, die als Kinder gefördert und liebevoll umsorgt wurden und zu hochbegabten Vorzeige-Menschen heranwachsen.
Ich habe mich als Kind immer gefragt, wieso fördern mich meine Eltern nicht, wieso bringen sie mir nichts bei, wieso wecken sie nicht mein Interesse für dieses oder jenes, wieso muss ich immer irgendwelche Bücher oder TV-Sendungen als Inspirationsquelle nutzen, um mich mit einem Thema weiter zu beschäftigen, wieso scheint ihr ganzes Erziehungsziel darin zu bestehe, dass ich die Nachbarn und ollen Bekannten der Oma grüße, wieso erzählen die mir nach meinem Entschluss, Vegetarierin zu sein (im Alter von 7 Jahren) so einen Unfug von meiner drohenden Mangelernährung, wieso wollen die mich bestechen und spulen die was-werden-die-Leute-sagen Leier ab, weil ich mich aus Gewissensgründen nicht konfimieren lasse, wieso weshalb warum ……..

Andrea Brackmann betont immer, wie wichtig es für HBs sei, Kontakte zu ihresgleichen zu finden. Doch der IQ allein sagt ja noch nichts darüber aus, ob man sich sympathisch ist und versteht. Wie soll man da jemanden finden?
Raven ist natürlich eine Gleichgesinnte, wenn ich HB bin, ist sie es auch, wenn ich nicht HB bin, ist sie es trotzdem. Mein Lektor ist bestimmt auch HB, (einer von der erfolgreichen Sorte), denn sonst wäre er nicht mein Mentor.
Aber wer oder was bin ich?

Vortrefflicher als die folgenden Zeilen hätte ich es nicht formulieren können:

“Ich bin keine Person, ich bin ein Konglomerat von Eigenschaften, Impulsen, Meinungen, Erfahrungen. Es gibt nichts Beständiges, ich bestehe aus lauter einzelnen Stücken, aus lauter Widersprüchen, es gibt nichts, was mich zusammenhält, ich kann mich bei mir auf nichts verlasen, ich habe keine Ahnung, wer ich bin, was ich kann und was ich will.”

Der Beitrag wurde am Freitag 9. Februar 2007 um 21:37 veröffentlicht und wurde unter Seelenleben abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

20 Kommentare

  • ToulexisToulexis sagt:

    Ein interessanter Blogeintrag! Besonders gefällt mir der Abschnitt, wonach die Vorstellung eines eindimensionalen, zwischen zwei Polen liegenden Kontinuums reicht nicht ausreicht, um Hochbegabung, Introversion, Autismus und Borderline-Syndrom zusammen zu bringen. Du kannst Dir das nur als dreidimensionalen Cluster vorstellen, in dem diese drei Bereiche bestimmte Schnittmengen bilden: Nicht jeder HB ist Autist oder introvertiert oder leidet am Borderline-Syndrom. Nicht jeder Autist oder Bordie ist hochbegabt, aber es scheint beachtliche Schnittmengen und Zusammenhänge zu geben.

    Nach meiner Erfahrung bzw. Vorstellung läßt sich diese Vorstellung generell auf die psychischen bzw. seelischen Merkmale von Menschen anwenden, und zwar unter zusätzlicher Einbeziehung einer vierten Dimension, der Zeit. Jeder von uns verfügt über zahlreiche emotionale und intelektuelle Veranlagungen, die wie Sphären in unserem “Seelenraum” schweben und sich gegenseitig mehr oder weniger durchdringen.

    Derjenige Bereich, der am ausgeprägtesten ist (der “Cluster”), macht sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in unserem Leben als das bemerkbar, was wir unseren Charakter oder unseren seelischen Zustand nennen. Diese Schnittmenge (und damit der Cluster) kann sich im Laufe unseres Lebens aber ändern, denn die sich durchringenden Sphären sind keine unverrückbaren Konstanten sondern gleichen eher denjenigen Gebilden, die man auf dem PC unter dem Betriebssystem Windows als Bildschirmschoner “3D Flower-Box” bewundern kann, also räumliche Gebilde, die immerzu ihre Form und ihren Ort ändern. Nur geschieht diese Änderung nicht so schnell wie beim genannten Bildschirmschoner. Manches ändert sich nur allmählich, z.B. in einzelnen Lebensabschnitten, anderes ändert sich mehrmals täglich und ruft auf diese Weise Stimmungsschwankungen hervor, einige Änderungen sind evoöutionär, andere hingegen stark von äußeren Ereignissen bzw. Anstößen abhängig, und es versteht sich von selbst, dass die Zusammensetzung dieser seelischen Spären bei jedem Menschen so einzigartig ist wie sein Erbgut.

  • PersephonePersephone sagt:

    @Toulexis:
    Das eindimensionale, zwischen zwei Polen verlaufende Kontinuum ist ja ein Konstrukt der Persepektive auf eine duale Welt. Manches kann man damit beschreiben, aber je komplexer die Sache wird, desto komplexer muss auch das visuelle Konstrukt werden. An dem Zusammenhang zwischen HB, Introversion, Autismus und Borderline wird mir klar, wie sehr die in der Fach-Literatur immer so isoliert beschriebenen Seelenzustände ineinander verzahnt sind. Das ist eine spannende Entdeckung.
    Interessanterweise hatte ich, als ich über den 3D-Cluster schrieb, auch den Gedanken, dass man noch Zeit als vierte Dimension dazu nehmen müsste, aber in diesem Moment hatte ich so einen schönen 3D-Cluster vor Augen, dass ich nicht wußte, wie ich die Zeit in meinem Bild noch unterbringen soll.
    Nachdem ich Deinen comment gelesen hatte, erschien vor meinen geistigen Augen ein Cluster, der das ganze Potenzial eines Menschen beinhaltet. Im Laufe des Lebens aktiviert ein Mensch diesen oder jenen Bereich, desaktiviert das ein oder andere wieder, während andere Bereiche nie aktiviert werden. Doch dann habe ich mir den “3D-Flower-Box” Bildschirmschoner angesehen, der weit dynamischer ist als mein stationäres Clusterbild und somit auch viel mehr Entfaltungsmöglichkeiten in den Weiten der seelischen Sphäre bietet.

  • ToulexisToulexis sagt:

    Es ist eine grundlegende wissenschaftliche Methode, komplexe, miteinander verzahnte und (zeitlich) dynamische Prozesse in Einzelteile zu zerlegen, um sie besser beschreiben und analysieren zu können. Leider geht dabei sehr oft der Blick für das Ganze verloren. Zahlreiche Spezialisten können kleinste Puzzleteilchen detailliert beschreiben, aber Niemand erkennt mehr das vollständige Bild. Und selbst das würde nicht reichen, denn es geht ja nicht darum, ein Bild zu erkennen sondern um die dahinter befindliche grundlegende Erkenntnis (der Dinge, des Seins etc.). Natürlich ist auch das Bild, das der genannte Bildschirmschoner liefert, nur ein begrenztes Hilfsmittel zur Erkenntnis. Eigentlich müssten mehrere sich ständig wandelnde Elemente auf dem Bildschirm erscheinen, sich gegenseitig durchdringen und Schnittmengen bzw. Cluster bilden. Die Darstellung wird aber (auch in ihrer langsamsten Form) im Vergleich zu den Lebensphasen des Menschen immer ein extremes Zeitraffer repräsentieren. Auch werden die inneren und äußeren Impulse nicht veranschaulicht, die zu einer Änderung der Lage und der Form führen. Trotzdem hilft diese Betrachtungsweise ein bisschen weiter, und es ist doch immer wieder erstaunlich, wie leistungsfähig das “geistige Auge” im Vergleich zu unseren kümmerlichen sprachlichen und bildgebenden Ausdrucksmöglichkeiten ist.

  • RavenRaven sagt:

    Danke für die ausführlichen Beiträge zu diesem Thema und der Hochsensitivität. Ich glaube, ich brauche Deine Buchtipps gar nicht mehr selbst zu lesen danach. ;)
    Wir haben das alles schon ausführlich am Telefon besprochen – ich lese alles, auch wenn ich nicht immer oder erst spät zum ausführlichen Kommentieren komme…

    Ich hatte auch immer gerade einmal volljährige Doktoren bei dem Begriff im Kopf, und bei den IQ-Tests lag ich mit 120 bis 130 auch immer knapp unter dem Schwellenwert, aber so gut wie alles, was Du hier beschreibst, deckt sich mit meinen Lebenserfahrungen. Das und diverse Psychologen, die bei mir eine vernachlässigte Hochbegabung vermuteten, machen mich inzwischen sicher, dass es das tatsächlich ist.
    Und wenn ich hochbegabt bin, bist Du es auch. :grin:

    Die abstrakte Programmierer-Welt ist wirklich kein Hexenwerk, und ich halte mich nicht einmal für einen besonders guten – für einen schlechten auch nicht, aber ich habe zum Vergleich Kollegen, die träumen vermutlich in regulären Ausdrücken, die für mich auch nach der dutzendsten erlernten Programmiersprache immer noch ein Buch mit sieben Siegeln sind. (Obwohl ich zumindest schon in C geträumt habe… Ich verbringe eindeutig zu viel Zeit vor dem Rechner.;))

    Dafür sind mir die psychologischen und philosophischen Bücher, die Du ständig verschlingst, zu hoch. Ich habe nun schon das zweite Buch vom Dalai Lama frustriert beiseite gelegt, weil ich mit Konstrukten wie den 6 Ebenen des samsarischen Universums und ähnlichem nichts anfangen kann, da macht man sich bei der Lektüre doch einen Knoten ins Hirn. :???:

    Es ist erstens erstaunlich, wie sehr die Schilderungen hier und in dem Hochsensitiven-Beitrag meinem Lebenslauf entsprechen, ich kann wirklich JEDEN Absatz unterschreiben. (Ok, nicht ganz, den mit dem barfuß Laufen nicht. ;) ) Zweitens hätte ich nicht vermutet, dass sich auch viele der zahlreichen zwischenmenschlichen Probleme damit erklären lassen. Und drittens bin ich mal wieder erstaunt, wie sehr wir uns ähneln. (Auch wenn ich statt Bildern von Trotzki solche von Robespierre und Bonaparte an die Wände meines Teenager-Zimmer gehängt habe. :mrgreen:)
    So langsam lösen sich immer mehr Fragen… Ich habe mittlerweile eine Ahnung davon, wieso ich bin, wie ich bin. Es ist eine einzige logische Kette von Ursache und Wirkung.

    Das letzte Zitat ist übrigens, obwohl es vermutlich nicht die Intention war, sehr buddhistisch geraten. Ein festes, unveränderliches Selbst gibt es im Buddhismus nicht. Das “Ich” ist ein Produkt verschiedener Faktoren (Skandhas). Da diese Faktoren selbst bedingt, d.h. veränderlich und abhängig von Zeit und Umständen sind, ist das “Ich” auch ständig in Veränderung, wie ein Fluss, der zwar immer der Gleiche zu sein scheint, aber in der nächsten Minute aus gänzlich anderem Wasser besteht.

    Insofern: Nieder mit dem Schubladendenken! Wir sind wir, weder das eine, noch das andere, eine Mischung aus Tausenden von Faktoren, die sich theoretisch jederzeit ändern können. Vielleicht reagiere ich deshalb schon immer so allergisch auf Leute, die mir ein Label auf die Stirn pappen wollen.

  • PersephonePersephone sagt:

    @Toulexis:
    Das akademische System hat bis lang ja dem Spezialistentum und der Analyse gefrönt. Es galt als besonders erstrebenswert, ein Spezialist zu sein und der Rat der Spezialisten wurde und wird gesucht. Man denke an die Medizin, wo der Rat des Spezialisten weit mehr gilt als der Rat des profanen Allgemeinmediziners oder gar ganzheitlich wirkenden Heilpraktikers. Nachdem die Welt so fast von Spezialisten zu Tode analysiert worden ist, scheint es ein Umdenken zu geben und interdisziplinäre Ansätze sind gefragt.
    Gerade den HBs wird nachgesagt, sie seien zu vernetztem Denken fähig. Vielleicht war das Zeitalter der Analyse nötig, damit wir mit dem daraus gewonnenen Wissen nun in das Zeitalter der Vernetzung eintreten können.
    Als ich mich mit Autismus beschäftigte und im Aspie-Forum schrieb, hieß es, innovatives Denken sei zumeist visueller Natur und es gäbe visuell denkende und weniger visuell denkende Menschen. Aber wie soll man denken, wenn nicht mit Bildern vor dem geistigen Auge? Übrigens ist es Aufgabe der Schriftsteller, die Bilder der geistigen Welt in Sprache zu übersetzen und sie so auch jenen Menschen zugänglich zu machen, die nicht so viel Zeit und Kraft in der geistigen Welt verbringen möchten oder können.
    Ich habe noch gar kein Feedback zu “Waagemut”, war es denn sooo schlimm :shock:
    Ich schreibe gerade das Folgekapitel, in dessen Zentrum ein Dialog zwischen Sinaria und Nina über DAS Thema steht. Wenn “Waagemut” nicht so bleiben kann, dann hätte das ja auch Auswirkungen auf das Folgekapitel.

  • PersephonePersephone sagt:

    @Raven:
    Bei Dir sind immerhin schon die Psychologen darauf gekommen, dass bei Dir eine nicht geförderte HB vorliegt. Ich habe nächste Woche wieder einen Termin bei meinem Psychologen und werde das Buch mitnehmen. Wobei dieses Besprechen von Fachbüchern in der Therapie und Vorlegen detaillierter Selbstanalysen typisch ist für einen HB-Klienten, Normalos machen das offenbar nicht.

    Was man bei HB und IQ-Tests auch noch beachten muss, ist, dass es Teilhochbegabung in bestimmten Bereichen gibt. Es gibt bestimmt Bereiche, da bin ich schlechter und Bereiche da bin ich besser. Als Summe kommt dann irgendwann zwischen 120 und 130 raus, aber in einem Teilbereich, naheligend wäre Sprache, bin ich vielleicht über 130.

    du könntest wahrscheinlich ein super Programmier-Ass sein, wenn Du wolltest, aber Du bist eben keine Fachidiotin und verteilst Deine Energie lieber auf viele verschiedene Sachen: Kostüme, Gesang, Religion.
    Du träumst schon in C, na wenn das keine gute Programmierin ist :grin:

    Na ja so hochphilosphisch sind die Bücher, die ich lese nicht. Psychofachliteratur ist nicht zu vergleichen mit Philospohen-Gebabbel. Aber es zieht mich zu den Philosophen, Kiergegard hab ich schon gelesen, wahrscheinlich werde ich langsam alt genug dafür. Ich sollte mir auch mal ein Buch vom Daila Lama besorgen.

    Es ist schon fast erschreckend wie einfach des Rätsels Lösung ist: wir sind einfach zu schlau für die Welt. Dass der IQ eine Rolle spielt, haben wir ja schon immer vermutet, aber die ganzen Zusammenhänge sind mir erst jetzt klar geworden. Als HBs sprechen wir offenbar eine andere Sprache, die die nicht-HBs nicht verstehen, so sind Frustrationen vorprogrammiert und gerade als Jugendliche wird man von der Peer-group ausgegrenzt, wenn man nicht konform geht – mit den bekannten Folgen.

    Da Du von französischen Staatsmännern sprichst, einer schaffte es auch in Bilderform an die Wand meines Teenie-Zimmers: Kardinal Richelieu, der hängt immer noch bei mir :razz:

    Die Ansicht des Buddhismus über das durch Raum, Zeit und diversen Faktoren veränderliche Selbst klingt genauso wie Toulexis Seelensphären-Cluster. Ich glaube, ich sollte darüber mal meditieren und passende Bilder aus dem geistigen Raum dazu abrufen.
    Ich kann verstehen, dass Du allergisch gegen Schubladendenken bist, bei mir stelle ich aber fest, dass ich gerade weil der Mensch ein flüchtiges Konglomerat ist, das Bedürfnis habe, Ordnung in das Chaos zu bringen und deshalb ein Fan von Typologien bin, wohlwissend dass jede Typologie immer nur einen kleinen Ausschnitt der Seelensphäre beschreiben kann. Mein Wunsch nach einem Label entspringt meiner Sehnsucht, einer Gruppe anzugehören, in der ich eine Heimat finden kann. Es scheint so, als habe ich zumindest die Gruppe gefunden: hochsensibel und hochbegabt.

    Ich habe das Gefühl, dass die große Zeit der Psychobücher zu Ende geht, weil ich gefunden habe, wonach ich suchte. Ich weiß noch nicht, was jetzt kommt, zur Zeit lese ich die Werke meiner Schriftsteller-Idole und dann kommen vielleicht die Philosophen.

  • RavenRaven sagt:

    Ja, da hast Du recht mit der Faulheit. Ich sehe es einfach nicht ein, zu viel Zeit in die Programmiererei zu stecken, wo es doch noch so viele (ent-)spannendere Dinge gibt, die mir Spass machen. ;)

    Hmm, das mit der Teilhochbegabung ist so eine Sache. Es ist logisch, dass man einige Dinge besser kann als andere, das ist bei Hochbegabten vermutlich nicht anders als bei normalen Menschen. Ich kann einige Dinge auch gar nicht, z.B. wie Du Gedichte schreiben oder sich die Handlung für ein Buch ausdenken, und ich halte Deinen Umgang mit der deutsche Sprache für besser, auf jeden Fall aber für kreativer. Ich kann irgendwie nichts erschaffen, nur beschreiben.

    Allerdings haben bei mir die Psychologen als Indiz für Hochbegabung gerade die überschnittlichen Ergebnisse auf vielen verschiedenen Gebieten genommen. Wenn man meine Schulzeugnisse nimmt, prangen da regelmäßig ein Dutzend “sehr guts” (manchmal auch weniger, manchmal mehr ;) ) drauf, in kreativen Fächern (Kunst, Musik), Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch), Naturwissenschaften (Mathe, Bio, Physik) und Geisteswissenschaften (Religion, Geschichte).
    Dazu kam nicht nur die schulische Leistung, sondern das außerschulische Interesse an diesen Dingen: Französisch lernen in der Freizeit, einfach, weil ich die Sprache so schön fand, Brieffreunde in aller Welt, gerne lesen und schreiben in der Muttersprache, mein obzessives Interesse an Geschichte, insbesondere Altertum und rund um die Französische Revolution (ich weiss gar nicht mehr, wieviele Geschichtslehrer ich belästigt habe, weil ich wieder unbedingt etwas wissen musste, die Bücherei nicht ausreichte und es noch kein Internet in dieser Form gab), klassischer Gesangsunterricht, Hobbies wie Fossilien sammeln und Kristalle züchten…

    “Normale” Menschen können auch fantastische Ergebnisse erzielen, aber meist ist das auf einen bestimmten Bereich beschränkt, was man dann meist unschön “Fachidiot” nennt.
    Menschen wie wir haben viele verschiedene Talente und Interessen.
    Ob das jetzt ein Fluch oder Segen ist, sei mal dahingestellt…

    Ich finde es oft frustrierend, weil ich nichts wirklich super kann, sondern von vielem nur ein bißchen, und mich so viele Dinge interessieren, dass der Tag, selbst wenn ich nicht arbeiten gehen müsste und unbegrenzt Geld hätte, niemals reicht, um all dem nachzugehen. Wie gerne würde ich z.B. auch (wieder) mit Klavierunterricht anfangen oder mich intensiver mit den komplexen Grafik- oder Flashprogrammen beschäftigen, um mal wirlich originelle, außergewöhnliche Websites zu designen oder wieder so etwas wie Jazz-Dance oder Karate machen… :cry:

    Die Sache mit den Labels ist zweischneidig.
    Eigentlich bin ich wie Du froh, solche Diagnosen und Bezeichnungen zu haben. Wie Du sagst, es erklärt und beschreibt oft gut das, was mit uns los ist, was natürlich beruhigend ist, weil man bis dahin oft dachte, man ist alleine mit dem Phänomen oder abnormal. Der Wunsch nach Zugehörigkeit ist groß, auch bei mir. Gerade deswegen bin ich vermutlich auch so sehr auf der Suche nach einer Religion die zu mir passt, und frustriert, wenn ich selbst im Buddhismus auf Dinge stoße, die auf Kriegsfuß mit meiner inneren Wahrheit stehen.
    Das ist die positive Seite.

    Die negative ist jedoch die meiner Erfahrung nach häufigere. Man wird in eine Schublade gestopft, und wie das mit Schubladen so ist, man kann Dinge immer nur in eine legen. ;) Man wird je nach Kontext auf einen bestimmten Aspekt der Persönlichkeit reduziert, eine Funktion oder einen Mangel.
    Gute und nützliche Eigenschaften werden z.B. von anderen gerne in Anspruch genommen, während sie der Rest der Person nicht interessiert. So sehr mich das Lob für meine Kostüme auch freut, aber ich will nicht immer nur “die mit den tollen Kostümen” sein, aus der man noch ein paar Tipps für die eigenen Zwecke quetschen kann. :sad:
    Bei schlechten Eigenschaften wird man über sein Defizit definiert und der Rest wird außer Acht gelassen, wie ich das z.B. schon oft bei meiner PSYCHOsomatischen Schmerzerkrankung erlebt habe, was vielen Ärzten anscheinend nahelegt, ich wäre gleichzeitig debil oder begriffsstutzig in Bezug auf die eigene Person, obwohl das genaue Gegenteil der Fall ist, so dass man oft wie ein unmündiges Kind behandelt wird, das man nicht ernst nehmen muss. :evil:

    Ich habe übrigens auch schon Bücher mit zu den Psychologen geschleppt und sie mit der Nase auf etwas gestoßen, was sie selbst nicht gesehen haben oder wo das Thema bislang unbekannt war, Stichwort AB. :mrgreen:

    Und sorry für so viel Gerede über mich, das sollte ich lieber mal in meinem eigenen Blog thematisieren. :oops:

  • PersephonePersephone sagt:

    @Raven
    Du hast schon Recht, in der Regel zeichnet sich HB dadurch aus, dass man sich für viele Dinge interessiert und in vielen Bereichen gut bis sehr gut ist.
    Im Beherrschen meiner Muttersprache muss schon etwas dran sein, immerhin war ich die beste im Deutsch-Leistungskurs, dabei hatte ich viele lieber Geschichte als LK nehmen wollen, aber der ist mangels Interessenten nicht zu stande gekommen. Dafür war ich dann aber der Liebling meines Geschichtslehrer, noch ein Oberstudienrat der alten Schule, eine richtige Respektsperson, weil der merkte, dass ich mich auch privat für Geschichte interessiere. Bio und Chemie mochte ich sowieso, in Kunst war ich auch gut, nur ein Fremdsprachen-Fan bin ich nicht, mit Ausnahme Latein. Dazu fällt mir ein, dass ich Lateinunterrricht mit Schülern hatte, die mir zwei Jahre Latein-Lernen voraus hatten, dennoch habe ich immer so um die 10 Punkte geschrieben, einfach mit Intuition und Sprachgefühl übersetzt. Schade, dass ich Latein nicht ab der 7.Klasse genommen habe, mit Deinem geliebten Französisch stehe ich bis heute auf Kriegsfuss :grin:

    Mit der Teilhochbegabung wollte ich nur sagen, dass es Menchen gibt, die nur in enem bestimmten Bereich herausragend sind und sonst nur durchschnittliche Werte erzielen, aber das reicht dann schon aus, um die Symptome der HB zu haben.
    Ist es nicht selstam, dass man in Zusammenhang mit HB von Symptomen spricht, als handele es sich um eine Krankheit. Ich habe auch schon Sätze gelesen wie: “Hochbegabung ist keine Behinderung”, was ja bedeutet, dass es schon als solche einegstuft worden ist, schüttel :shock:
    Aber man kann sich schon behindert vorkommen, wenn das Umfeld einen nicht verstehen kann, bis man dann heraus findet, dass die Umgebung zu dumm ist, um einen zu verstehen. Das klingt zwar schrecklich arrogant, aber es beschreibt ganz neutral die Faltenlage.

    Seufz, mit meinem Flash-Programm wollte ich mich auch mal befassen, aber auch mit (nur) 30h Arbeits-Woche fehlt mir die Zeit, da gerade das Webbasteln sehr zeitintensiv ist. Zur Zeit habe ich den Spleen, an der vhs einen Astronomiekurs zu belegen.
    Wir sind riesige Staubsauger, die unentwegt Informationen über die Welt aufsaugen.

    Deine Allergie gegen Label kann ich in Deinem Fall nachvollziehen. Mir würde auch die Galle hochgehen, wenn ich wie eine Demente behandelt würde, weil ich eine psychosomatische Erkrankung haben. In meinem Fall ist aber eher so, dass ich mir selber die Labels gebe, weil ich irgendwo hingehören will, während mir von außen niemand ein Label gibt, stecke ja zum Glück nicht so tief in der Medizinfabrik drin.
    Diese Reduktion auf eine Funktion ist natürlich ganz übel, ganz gleich welche Funktion es ist, sei es nun Kostümbauerin, Webmasterin oder wie bei mir Playmate.

    Auf Deinen Blogeintrag über HB, AB und sonstige Minderheiten bin ich schon rasend gespannt :mrgreen:

  • AmaltheaAmalthea sagt:

    Aha, noch eine Vegetarierin, interessant… :smile: Ich bin es auch schon, seit ich vier Jahre alt bin.
    Zum Thema Hochbegabte und Hochsensitive muss ich leider zugeben, dass ich u.a. eine fürchterliche Leseratte bin und auch gern Filme und Theaterstücke sehe oder Musik höre, weil ich dort eher auf die gleiche Gesinnung zu treffen meine als bei den Menschen um mich herum. Manchmal kommt es einem wie verhext vor… :roll: Kennst du übrigens den Komponisten Stephen Sondheim? Garantiert ein “Leidgenosse”… mir fällt da insbesondere sein Stück “Anyone Can Whistle” ein.
    Mir wurde auch erst durch das Enneagramm (vor ca. 3 Jahren) klar, dass ich nicht spinnert oder irgendwie komisch bin, weil ich ein reges Innenleben habe; das haben sehr viele Leute und es birgt nicht nur Probleme, sondern auch ein enormes Potential. (Der Vierer soll ja der Archetyp des Zauberers sein… na ja, wer weiß ;) ) In dieser Zeit habe ich auch gelernt, Leuten zu misstrauen, die keine Träume haben oder noch schlimmer, wenn sie behaupten, sie bräuchten keine, weil in ihrem Leben alles so toll wäre. Wer solcherart vor sich selbst davonläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn er irgendwann das Gefühl hat, eingesperrt zu sein und das wirkliche Leben an sich vorbeilaufen zu sehen. (Mit “wirklichem Leben” meine ich: ein Leben von innen heraus.) Wer keine Träume, Wünsche und Hoffnungen hat und andererseits keine Zweifel und Momente der Desorientierung und Traurigkeit, grenzt meiner Ansicht nach daran, ein Gefühlskrüppel zu sein, keineswegs “cool” und “erfolgreich”. Nun ja, Ansichtssache. Ich möchte niemanden angreifen.
    Zum Schluss noch zwei meiner Lieblingszitate zum Thema:
    “I believe answers make you wise, but questions make you human.”
    (aus “On a Clear Day You Can See Forever”)
    “If you keep believing in your dreams, nothing you have done will ever be in vain.”
    (Leji Matsumoto)

  • PersephonePersephone sagt:

    Der Anteil der Vegetarier unter HSPs ist auf jeden Fall höher als unter nicht-HSPs. Faszinierend, dass Du schon so früh Vegetarierin wurdest. Ich bin erst mit Sieben darauf gekommen.

    Was heist hier, Du musst leider zugeben, eine Leseratte zu sein? Ich misstraue allen Menschen, die keine Bücher lesen. Das geschriebene Wort ist die größte kulturelle Errungenschaft der Menschheit, in meinen Augen zumindest. Leseratte ist ein Kompliment ;)
    Ja wir sind leider in der Minderheit, das macht es schwer, Gleichgesinnte zu finden, andererseits wäre es ja schlimm, wenn wir nicht in der Minderheit wären, dann könnten wir uns ja nicht mehr als etwas Besonderes fühlen und hätten keine Normalos mehr, von denen wir uns abgrenzen können.:mrgreen:

    Stephen Sondheim kannte ich bisher nicht, habe eben nach ihm gegooglet: ein emsiger Musical-Komponist. Ich denke, der Großteil der kreativen, begabten Menschen setzt sich aus Leidensgenossen zusammen. Der Zusammenhang zwischen Gefühlstiefe, Verletzlichkeit und Kreativität ist evident.

    Hieltest Du Dich denn eine Zeit lang für “komisch”, weil Du ein reiches Innenleben hast?
    Ich dachte früher immer, dass jeder Mensch ein solches Innenleben hat, man neigt ja dazu, von sich auf andere zu schließen und ein Leben ohne internen Kosmos schien mir gar nicht möglich zu sein. Wahrscheinlich haben mehr Leute ein reges Innenleben als man denkt, weil die meisten nicht darüber sprechen. Diejenigen, die das nicht haben, tun mir leid. Aber es gibt nunmal die Extrovertierten, die ticken einfach anders als wir und sind viel zu viel in der Außenwelt beschäftigt, als dass sie Zeit für ein Innenleben hätten.
    Na ja, aus Vierer-Sicht sind wohl alle anderen Typen Gefühlskrüppel, denn an unsere Gefühlstiefe kommt kein anderer Typus heran, aber da können die nichts dafür.
    Anders sieht es aus mit diesen obercoolen Nihilisten, eine ganz widerliche Sorte Mensch.
    Eines meiner Lieblingszitate ist:

    “Nur die Phantasielosen flüchten in die Realität”

  • AmaltheaAmalthea sagt:

    Ja, ich wurde mit vier Jahren Vegetarierin, nachdem meine Mutter den Fehler gemacht hatte, mich in eine Metzgerei mitzunehmen. Das herumliegende blutige Fleisch jagte mir einen solchen Schock ein, dass ich von Stund an weder Fleisch noch Fisch mehr anrühren wollte, außer bei sehr seltenen Ausnahmen. Nachdem ich inzwischen weiß, wie die armen Tiere meist gezüchtet werden, bin ich sogar froh darüber.
    Ich kenne sogar einige Leseratten, aber die meisten lesen eben zur Unterhaltung und nicht, weil sie nach Hinweisen oder Weisheiten von Gleichgesinnten für ihr eigenes Leben suchen. Nur zur Unterhaltung lese ich selten, und auch da finde ich oft noch irgendwelche ungeahnten Dinge, die mich zum Nachgrübeln bringen. Seufz, ein hoffnungsloser Fall.
    Bis vor wenigen Jahren hielt ich mich für hoffnungslos “seltsam”, da keiner, den ich kannte, so rege über sich selbst und den Rest der Welt, vor allem metaphysisch gesehen, nachdachte. Meine Eltern haben diesen Eindruck meistens verstärkt mit Bemerkungen wie “Hör doch mit dem Unsinn auf und träum nicht so viel, die Wirklichkeit ist wichtiger” u.ä. (z.B. immer eine Musterschülerin sein, immer die besten Manieren an den Tag legen, zur rechten Zeit heiraten und sich dann zwischen Ehemann und Kindern aufreiben… schöne Aussichten.) Wahrscheinlich haben sie es gut gemeint, aber nachdem ich weiß, was für Probleme sie selbst mit sich haben, bin ich auch nicht so sicher, ob diese Ratschläge so gut waren. Jetzt durfte ich mich nicht nur mit meinen, sondern auch mit ihren “Dämonen” auseinandersetzen, eine undankbare Aufgabe. :sad:
    Aber für einen Vierer scheint so etwas irgendwie typisch zu sein. Und überhaupt, who said life was easy…? Allein mit Anpassung kommt meiner Beobachtung nach niemand weit.

  • Friedr.-W.H. RaheFriedr.-W.H. Rahe sagt:

    Betr. Intelligenztests
    IQ-Tests haben meiner Meinung einen Mangel, sie fragen Fakten ab die andere schon gedacht haben. Über die Innovationsfähigkeit, die keinen “Hochgeschwindigkeitszugriff” auf Wissen erfordert, sagen sie nichts aus. Intelligenz sollte mehr beinhalten als rekapitulieren.
    Oder liege ich völlig daneben, wie mir jeder mit Testungen Befaßte bestätigt?

  • PersephonePersephone sagt:

    Ich glaube auch nicht, dass sich Intelligenz umfassend mit den herkömmlichen Tests messen läßt, auch wenn sie nicht nur Fakten abfragen sondern man schon über die Lösungen nachdenken muss. Ich finde IQ-Tests sehr einseitig in ihrer Aufgabenstellung, emotionale Intelligenz kommt darin überhaupt nicht vor. Vieles läßt sich eben nicht einfach mit einem schriftlichen Test messen.

  • gazellegazelle sagt:

    Nach der Lektüre dieses interessanten Beitrages, fühle ich noch mehr, wie sehr mein erst 9 jähriger Sohn doch leidet. Er liegt knapp unter der Hochbegabung und schottet sich gerade in der Schule komplett ab. In unserer Familie ist nicht geförderte HB ein bekanntes Thema.Um so befremdlicher erlebe ich die Reaktion von Lehrern, die solche Kinder nicht erkennen und regelrecht an die Wand spielen. Von Förderung keine Spur. Geschweige denn Hilfestellungen für die Eltern. Da wird ihm also eine Schwäche im Sprachverständnis nachgesagt, aber genau in diesem Bereich liegt er bei 132 :) HB……..was bleibt also der erkennenden Mutter….kämpfen für das Kind, gegen Windmühlen und unser Schulsystem, welches ihn am liebsten in die Mittelmäßigkeit drängen möchte.
    Oder zulassen, dass er genau wie mein kleiner Bruder IQ127 und einem Hauptschulabschluss :( ungefördert auf dem Abstellgleis unserer Gesellschaft landet. Alles in allem verliere auch mich in meinem Gedankendschungel, nur kann ich diesmal nicht abtauchen und mich abschotten, da es hier um mein KInd geht, welches leidet und dringend Hilfe benötigt.

  • PersephonePersephone sagt:

    Offenbar ist es leider immer noch so: weniger begabte Kinder genießen umfangreiche Förderung und die hochbegabten Kinder werden verkannt und in die Mittelmäßigkeit gedrängt. Ein Alptraum.
    Da ich selbst keine Kinder habe, kann ich nicht aus eigener Erfahrung berichten und kenne keinen Weg, wie man mit unwilligen Lehrern umgehen kann.
    Gerade eben bekam ich von amazon.de einen Buchvorschlag über hochbegabte Kinder. Wahrscheinlich besitzen Sie solche Bücher bereits, aber ich gebe Ihnen trotzdem den link zu dem Buch:

    http://www.amazon.de/dp/3406502520/ref=pe_6981_14577981_pe_ar_d7

    Alles Guten für Ihren Sohn. Ich hoffe er wird spätens beim Schulwechsel nach der vierten Klasse besser gefördert.

  • MagratMagrat sagt:

    Hallo Persephone,

    bin gerade hier herein gestolpert. Das Buch, welches du hier beschreibst, habe ich auch, und noch so einige andere aus dieser Kategorie, weil ich bereits seit mehreren Jahren “auf der Suche” bin. Für mich, aber auch für meine Kinder. Auch ich bin über Hochbegabung über umgeschulte Linkshändigkeit und Hochsensitivität bis hin zum Asperger Syndrom “gewandert”. Letzteres ist wohl am wahrscheinlichsten, mittlerweile habe ich eine entsprechende Verdachtsdiagnose für mich und eine Differentialdiagnose auf Asperger für eins meiner Kinder.

    Es ist ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist. Im Gegenteil.

    Zu wissen, “was es nun ist”, etwas, was “alles” erklären könnte, halte ich für sehr wichtig.

    Ich wünsche dir viel Glück auf deiner Suche!

  • PersephonePersephone sagt:

    Hallo Magrat,

    es ist beruhigend zu wissen, dass noch mehr Menschen auf der Suche für eine Erklärung ihres Anderseins sind.
    Ich finde es schön, dass Du für Dich und Deine Kinder schon so weit bei Deiner Suche gekommen bist. Ja es ist ein langer Weg, ein spannender Weg voller Selbsterkenntnis und damit Welterkenntnis.
    Ich finde es auch wichtig, eine Erklärung und einen Namen dafür zu finden, und zu wissen, wo man steht und hingehört.
    Asperger wie ich eine Zeit lange dachte, ist es bei mir doch nicht, dafür aber Hochsensitivität und Schizotypie.

    Für Deine weitere Suche wünsche ich Dir auch Glück und Erfolg.

  • SuchendeSuchende sagt:

    Hallo,
    den Blog und die Diskussion hier finde ich überaus ansprechend, da ich mich in vielem deutlich wiederfinde. Ich überlege, ob ich mich zu einem Mensa-Test anmelden soll, aber irgendwie habe ich Angst, zu versagen. (Obwohl ich vor einigen Jahren schon mal einen professionellen Test gemacht habe, der mir einen IQ von 130 bescheinigte. Jedoch hatte ich ihn aus einer Fachzeitschrift – und daher traue ich dem ganzen nicht.) Ich kann bei mir viele Symptome diverser “Störungen” feststellen. Als Kind tendierte ich vermutlich zum Asperger Syndrom (war oft geistig irgendwie weg und wurde dann oft durch äußere Reize aus mir selbst herausgerissen, was mich erschreckte; ich liebte es, stumpf Runde um Runde in unserem Hinterhof zu laufen, ohne Sinn und ohne Ziel). In der Pubertät wurde ich ein gemobbter Einzelgänger, was ich eigentlich bis heute nicht nachvollziehen kann. Irgendwas geschah mit mir oder den anderen, was eine riesige Kluft zwischen uns brachte. (Ich mochte durchaus Popgruppen, ging hin und wieder in die Disco und hatte typische Teenie-Probleme.) Ich bemerkte im Laufe der Jahre immer wieder, dass ich mir unendlich viele Gedanken mache, wo andere einfach Stille in ihrem Kopf haben. Teilweise hielt ich mich für total dumm, weil ich so schlechte Schulnoten hatte und mir das Lernen sehr schwer fiel. Dann ging ich über zum Binge Eating Disorder und litt weiter still unter meiner (wie ich nun weiß) borderlinekranken Mutter, machte eine Therapie wegen der Eßstörung, doch hatte immer noch das Gefühl, mit mir stimmt etwas nicht. Ich zeige ebenfalls viele Tendenzen zu Borderline, aber will es irgendwie nicht recht glauben. Ich empfinde mich als chaotisch – in meinem Verhalten und Tun und in meinen Gedanken. Ich bin so schrecklich unkonzentriert, vergesslich und widersprüchlich (ich spüre die Stimmungen anderer, aber kann sie nicht durchschauen). Andererseits springen mich aus dem Nichts heraus Informationen, Daten, Wörter und Namen an, die ich einfach nicht zuordnen kann und nicht mehr weiß, wo ich sie gehört oder gelesen habe oder in welchem Zusammenhang. Ich erinnere mich ohne Grund an sie.
    Nun bin ich bei Hochbegabung und Hochsensibilität gelandet, aber auch das möchte ich irgendwie nicht wahrhaben. Ich bin keinesfalls hochbegabt. Dafür komme ich mir viel zu dumm vor. Oder?
    Bitte sagt mir, dass ich durchaus zu diesem Kreis gehören könnte mit dem was ich hier beschreibe.
    (Übrigens habe ich nun – 1 Jahr nach der Beendigung meiner Therapie – wieder einen Termin bei meiner Therapeutin und werde ihr all die Vermutungen über meinen verrückten Kopf auf den Tisch packen. Mal sehen was sie dazu zu sagen hat.)

  • SuchendeSuchende sagt:

    Gestern war der Termin bei meiner Therapeutin. Ich bin nicht borderline-krank. *Angstschweiß von der Stirn wisch* Ein weiterer Test bescheinigte, dass ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hochsensibel bin.
    Ab Oktober mache ich noch mal einige Therapiestunden. Wieviele wird sich zeigen.

  • PersephonePersephone sagt:

    @Suchende:
    Deine Angst vor dem Mensatest kann ich gut verstehen, die habe ich auch, weshalb ich den Test nicht mache, zumal ich mich eher in 120er verorte, zu IQ 130 reicht es wahrscheinlich nicht ganz.
    Ich dachte auch eine Zeit lang, ich hätte das Asperger Syndrom, aber letztlich erklärte die Hochsensitivität meine Persönlichkeit besser.
    Ich denke, das Chaos in Deinem Kopf, welches Du beschreibst, kann durchaus Hochbegabung und Hochsenisibilität als Ursache haben. Borderline hast Du ja offenbar nicht. Die Welt heute ist so verdreht, dass sie Gaben wie Hochsensibilität als Krankheit ansieht, weil es nicht zur heutigen Reizüberflutung passt, nennt sich dann Reizverarbeitungsstörung.
    Sei einfach Du selbst und stehe dazu!

    Für Deine weitere Therapie wünsche ich Dir viel Selbsterkenntnis, Glück und Erfolg.

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