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Return-Ticket nach Hannover

7. Oktober 2007

Nach über zehnwöchiger Abwesenheit verbrachte ich vom 10. bis 14.September, einige Tage in meiner Wohnung in Hannover, um nach dem Rechten zu sehen und einige Dinge zu erledigen.
Im Vorfeld war mir etwas mulmig zu Mute, wieder in die Lebensumstände zurück zu kehren, in denen mein Krebs einen fetten Nährboden gefunden hatte. Anders ausgedrückt: ich freute mich gar nicht auf meine Hannover Wohnung und wäre am liebsten in Mörfelden geblieben.

Montag, 10. September 2007

Und dann fand ich mich am Montagnachmittag auf dem Hannover Hauptbahnhof wieder, alles so fremd und doch so vertraut: der Menschenstrom, der hauptsächlich von Nord nach Süd floß, während ich entgegen des Stromes von Süd nach Nord gehen musste, um zur U-Bahn zu gelangen, die wie meistens überfüllte U-Bahn und all die wohlbekannten Haltestellen, bis ich endlich zu meiner Heimathaltestelle “Dorfstraße” gelangte. Da war meine Ecke, mein Revier, der kleine Weg zum schmucken Backsteinhaus, welches mein Sanktuarium birgt, oben mein Fenster im dritten Stock mit dem Bücherstapel auf der Fensterbank und dahinter meine auberginfarbenen Organza–Vorhänge.
Es machte mir einige Mühe, den Koffer 3,5 Stockwerke hinauf zu schleppen und dann stand ich endlich wieder in meiner Wohnung. Mein erster Blick fiel auf die Zimmerpflanze, die sich wie erwartet in einem desolaten Zustand befand und die meisten ihrer Blätter verloren hatte. Ich versorgte sie zwar reichlich mit Wasser und Düngestäbchen, aber sie wird nicht mehr zu retten zu sein und das tut mir in der Seele weh. Sie war ein Erbstück von Alexandra, einer Ex meines Ex, die mir nicht nur von ihrem Wesen und ihren Interessen sehr ähnlich war sondern die auch unter ähnlich isolierten und einzelkämpferischen Bedingungen wie ich lebte. Wer weiß, hätte sie noch ein paar Jahre gewartet, vielleicht wäre sie dann auch vom Krebs gebissen worden. Aber sie hat es nicht mehr ausgehalten und ist vor einigen Jahren in den Tod gesprungen.

Da saß ich nun in meiner hübschen, kuscheligen, kalten, leeren und einsamen Wohnung und fühlte mich gar nicht wohl. Der Schutzzauber des Sanktuariums war ausgelöscht. Ich fühlte mich heimatlos und verloren. Einerseits bin ich immer gerne in Hannover gewesen. Es ist eine schöne Stadt mit viel Grün, bezahlbaren Wohnungen und allen kulturellen und sonstigen Einrichtungen, die man brauchts. Sicher ist alles ein paar Nummer kleiner und nicht so spektakulär wie in den benachbarten Metropolen Hamburg und Berlin, aber gerade der beschauliche, provinzielle Charakter macht Hannover so sympathisch.
Andererseits hat mir meine Zeit in Hannover kein Glück gebracht. Alles war ich hier fand ist ein gebrochenes Herz und der Keim des Todes, aber das sollte wohl so sein, mein Schicksal hat sich erfüllt und die tragische Inszenierung meines Lebens hatte in Hannover ihren Höhepunkt gefunden.
Ich kann nicht Krebs bekommen und dann einfach so weitermachen wie bisher. Ich kann nicht einfach in die krankmachenden Lebensbedingungen zurückkehren, nach Abschluss der Chemotherapie wieder vereinsamt in meiner Wohnung hausen und mir im Callcenter das bißchen neu gewonnene Lebenskraft gleich wieder aussaugen lassen.
In dem Buch Krebsbehandlung in der anthroposophischen Medizin wird eine Patientin zitiert:

“Ich fürchte weniger den Tod als die Aussicht, dass es mir möglich sein könnte, das alte Leben wie bisher fortzusetzen.”

Der Satz könnte von mir stammen.

Ich war müde und strich die für Montagabend geplante Nähaktion von meiner Agenda, stattdessen blätterte ich in den erhaltenen Katalogen rum und ließ mir vom Pizza-Express Salat und Pizzabrot ins Haus liefern.
Geborgen fühlte ich mich nur als ich mich in mein Bett unter der Dachschräge einkuschelte und in einem Buch des umstrittenen Mediziners Julius Hackethal las, welches ich mir aus der Stadtbücherei ausgeliehen hatte. Sein Buch Humanes Leben bis zu letzt ist ein Pladoyer für die Sterbehilfe. Ich will an dieser Stelle auf dieses Thema nicht weiter eingehen, was mir Hackethal sympathisch macht ist seine Meinung über Klinische Studien. Er schreibt:

“Die gräßlichste Errungenschaft der Neuzeitmedizin aus der Sicht eines Patientenarztes aus Liebe [...], ist die Einführung der Klinischen Studien mit doppeltem Blindversuch und Losentscheidung über Patientenschicksale. Sie hat die letzten berufsethischen Hürden gegen die Benutzung von Patienten als Versuchskaninchen ausgeräumt.”

Auch das oben erwähnte Buch Krebsbehandlung in der anthroposophischen Medizin spricht sich gegen Klinische Studien aus:

“Außerdem gibt es ethische Bedenken, die H. Kiene in seiner Kritik der klinischen Doppelblindstudien zusammengefaßt hat. Auch die Randomisation ist ethisch nicht unproblematisch, führt sie doch dazu, daß einem Teil der Patienten die Misteltherapie vorenthalten wird, die sich außerhalb der Studie vielleicht für eine Misteltherapie entschieden hätten, und umgekehrt andere Patienten die Misteltherapie erhalten, die dies gar nicht wollen.
Auch Ärzte, die an randomisierten Mistelstudien teilnahmen, bedauern oft, daß ein Patient, dem nach ihrer bisherigen Erfahrung die Misteltherapie sehr gut getan hätte, durch den Zufallsentscheid nicht in die Mistelgruppe kamen. Dadurch, daß nicht der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen über die Therapie entscheidet, sondern das Los, wird das Arzt-Patienten-Verhältnis empfindlich gestört. “

Da bin ich ja froh, dass diese ethischen Probleme auch so manchem Mediziner aufgefallen ist.

Dienstag, 11. September 2007

Ich hatte mir den Wecker auf neun Uhr gestellt, denn für den Vormittag plante ich die unangenehmste Erledigung meiner Hannover-Reise. Ich suchte das Jobcenter in der Freundallee auf, weil ich hoffte, durch eine persönliche Vorstellung nicht mehr ignoriert zu werden. Seit Monaten schuldet mir das Jobcenter Geld. Im Berechnungsbogen der mir zustehenden Leistungen wird nämlich von einem üppigen netto-Einkommen von 1000€ ausgegangen. In Wirklichkeit lag mein Callcenter-Einkommen meistens um die 800€ und nun, da ich Krankengeld bekommen, fließen nur noch ca. 650€ im Monat als Einkommen auf mein Konto. Also bin ich jeden Monat artig meiner Mitwirkungspflicht, wie es im Beamtendeutsch heißt, nachgekommen, habe meinen Einkommensnachweis hingeschickt und eine entsprechende Nachberechnung und Nachzahlung erhalten. Doch seit Juni funktioniert das Prozedere nicht mehr, meine diesbezüglichen Schreiben werden schlicht ignoriert. Das fehlende Geld konnte ich bisher dank meiner Rücklagen auffangen, aber wenn das so weiter geht, bin ich bald bankrott und kann meine Miete nicht mehr bezahlen.
Die Empfangsdame fragte mich, was mein Anliegen sei. Ich schilderte ihr kurz, dass ich meine Einkommensnachweise abgeben wolle, da dies per Post nicht funktioniere. Sie meinte, dazu brauche ich kein Wartemärkchen ziehen, ich könne die Unterlagen gleich bei ihr abgeben.
So war mein Besuch beim Jobcenter zwar kürzer und schmerzloser als ich angenommen hatte, aber wahrscheinlich auch unergiebiger als ich gehofft hatte.
Ich habe wenig Hoffnung, dass ich nun die fehlenden Nachzahlungen erhalten werde. Mittlerweile habe ich mich auch bei einem Arbeitslosenzentrum diesbezüglich beraten lassen und ein Formschreiben erhalten, mit dem ich eine einstweilige Verfügung beim Sozialgericht erreichen kann.
Das sind die Momente, in denen ich mich sterbend ins Hospiz wünsche, damit mich dieser ganze Existenzkampf nichts mehr angeht. Da will man sich in Ruhe auf seine Exkarnation vorbereiten und da beginnt das Ringen ums Geld, welches man nur braucht, weil man einen Körper hat, zu eskalieren. KOTZ.
Der Planet der Bescheuerten und Bekloppten hat mich wieder eingeholt.

Nach dem Besuch beim Jobcenter ging ich zu Pennymarkt einkaufen und fuhr zurück in meine Wohnung.
Den ganzen Tag war ich damit beschäftigt, mir eine Kleid aus grünem Pannesamt und schwarzem Crashsatin in Wickeloptik zu nähen. Meine geliebte Nähmaschine, wie sehr hatte ich sie vermißt!

Abends gönnte ich mir ein Bad und futterte Tortilla-Chips mit Salsadip zur Serie mit dem exzentrischen “Dr. House”.

Mittwoch, 12. September 2007

Es trieb mich früh aus dem Bettchen, weil ich noch einiges zu nähen hatte.

Um 11:00 fuhr ich mit der S-Bahn nach Bad Pyrmont, um mit Frank einen schönen Tag auf dem Lande zu verbringen.
Zuerst statteten wir der Kur-Wandelhalle einen Besuch ab und tranken eines der Heilwasser, dann suchten wir in der Innenstadt nach einem gefälligen Restaurant für das Mittagessen. Ich hatte Frank versprochen, ihn zum Essen einzuladen, als Dankeschön dafür, dass er mich damals aus dem Krankenhaus in Gehrden abgeholt, nach Hause gebracht und beim Packen geholfen hatte. Unsere Wahl fiel auf einen Italiener, der ein wenig zu nobel aufgemacht war. Die Stühle waren mit weißen Mäntelchen überzogen worden, diese Hussen geben einem Raum immer ein so hübsch aufgeputztes Aussehen.
Das Essen war sehr gut aber für die kleinen Portionen ziemlich teuer. Hätten wir nicht einen Salat als Vorspeise gegessen, wären wir wohl nicht satt geworden, das kleine Nudelhäufchen verlor sich auf dem riesigen Teller.
Gestärkt fuhren in Franks Hexenhäuschen nach Ottenstein, wo ich meiner kleinen Phoebe von Tilan-Dru einen Besuch abstattete. Aus dem winzigen Katzenmädchen ist eine wunderschöne junge Dame geworden, wirklich eine sehr schöne Katze, die leider mir Fremden gegenüber sehr scheu war. Wegen der Krankheit hatte ich Phoebe ja nicht wie geplant bei mir aufnehmen können, aber ich hoffe, dass ich nächstes Jahr ein oder zwei von Phoebes Kindern adoptieren kann. Phoebes Halbschwester Pauline hatte zum zweitenmal in diesem Jahr Junge bekommen. Die posierlichen Tierchen waren erst eine Woche alt und hatten die Augen noch geschlossen. Kleine Katzen sind so süß, weil sie ständig fiepsende Laute von sich geben, nenne ich sie immer Fiepsies. Interessant ist die Fellzeichnung der vier Spröslinge: zwei sind rötlich cremefarben und zwei grauschwarz. Da haben die Mendelschen Vererbungsgesetze voll zugeschlagen.
Im Sonnengarten, einem Bio-Cafe mit angenehmen Ambiente, gönnten wir uns Kuchen und Capuccino. Danach fuhren wir ans Weserufer nach Bodenwerder. In der Münchhausenstadt war nicht mehr viel los, die Saison ging zu Ende und die Touristen blieben aus. Langsam wurde ich müde, denn nach wie vor bin ich nicht voll belastbar. Noch ein Abschlussbesuch bei den Fiepsies, ein Gruß an Phoebe und die anderen Katzendamen Luna, Kuschel und Engelchen, dann brachte mich Frank zum Bahnhof nach Bad Pyrmont und ich gondelte zurück nach Hannover.

Es war ein schöner Ausflug, dennoch hatte ich den ganzen Tag das unterschwellige Gefühl der Heimatverlorenheit und des Ausgesetztseins, welches nervös in meiner Magengrube herum kroch. Selbst in meiner wundervollen Wohnung hielt dieses Gefühl an, erst als ich mich nach meinem “Opium-Trunk” ins Bettchen verkroch fühlte ich mich besser.

Donnerstag, 13. September

Heute stand ein Besuch im Callcenter auf dem Programm. Zuvor fuhr ich noch in die Innenstadt und kaufte bei Karstadt Borte für eine Tunika, die noch zu nähen ich mir vorgenommen hatte.

Ach ja, das Callcenter, grusel.
Ab und zu hatte ich eine e-mail an den Personaldisponenten geschrieben und ihn über mein Befinden auf dem Laufenden gehalten. Eigentlich hatte ich erwartet, dass man mich auf Grund meiner langen Krankheit loswerden wollte und froh war, dass mein Vertrag am 31.Dezember diesen Jahres sowieso ausläuft. Ich hatte mitbekommen, welche Schwierigkeiten eine Kollegin hatte, ihren Vertrag verlängert zu bekommen, weil sie so oft krank gewesen sei. Aber offensichtlich wurde einmal lange krank von der Firmenleitung anders bewertet als vielemale ein paar Tage krank. So schrieben mir die Callcenter-Leute in ihren e-mails, wann ich denn vollständig genesen sei und wieder arbeiten käme. Brr, dieses Callcenter erscheint mir wie eine Krake, die mich mit ihren Fangarmen zurück in mein Unglück ziehen will, dorthin, wo dieser Planet am scheußlichsten und die Materie am dichtesten ist. Das letzte halbe Jahr im Callcenter war ich ein psychisches Wrack, der Krebs hat mich aus dieser misslichen Lage befreit, weil ich es alleine nicht geschaft haben. Die Botschaft der Krankheit ist deutlich: lasse Deine Seele nicht länger vergewaltigen. Ich lege sehr viel Wert auf meine Authentizität und denke, dass es die Lebensaufgabe eines jeden Menschen ist, er oder sie selbst zu sein. Im Callcenter musste ich mich verstellen und verbiegen, was mir immer schlechter gelang und meine Lebenskraft aufgefressen hat. Seit ich dort nicht mehr arbeiten muss, hat sich mein psychisches Wohlbefinden enorm verbessert. Ich hielt meine depressive Erschöpfung ja fast schon für normal, weil ich sie so sehr gewohnt bin, aber jetzt weiß ich, dass es auch anders geht und ich werde mich bestimmt nicht wieder in krank machende Lebensbedingungen begeben, das wäre ja wahnsinn und würde meinen Exkarnationsporzess beschleunigen. Ich habe mir geschworen, mich nicht mehr für das kapitalistische System zu prostituieren und nur des Geldes wegen einer Tätigkeit nach zugehen, die mich krank macht. So sehr ich meine Wohnung in Hannover und die Stadt als solches auch liebe, ich werde mich von beidem verabschieden müssen, um einen finanzielle Entlastung zu erwirken. Mittlerweile bin ich schon dabei meine neue Wohnung im Haus meiner Eltern zu gestalten. Dazu ein andermal mehr.

Ich hatte meinen Besuch im Callcenter angekündigt und trug mein neues Kleid samt Perücke, mit der ich immer besonders gut aussehe. Da stand ich nun, die Krebskranke, die aussieht wie das blühende Leben und umarmte einige Kollegen, die mir besonders ans Herz gewachsen waren. Alle bemerkten wie gut ich aussehe. Ja es bekomme mir, nicht mehr im Callcenter arbeiten zu müssen, war meine Antwort.
Personaldisponent und Geschäftsführer spendierten mir einen Kakao und baten mich zum Gespräch. Ich erzählte ein wenig von der Chemotherapie und der allgemein schlechten Prognose der Krankheit. Es sei mir nicht möglich Krebs zu haben und alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher, ich müsse dringend etwas verändern und gedenke, Hannover zu verlassen. Wie immer waren die beiden sehr nett zu mir und reagierten ganz verständnisvoll.
Dann berichteten sie von den Geschehnissen im Callcenter. Sie seien auf die geniale Idee gekommen, einen großen Lauschangriff zu starten und hörten die Kundengespräche der Mitarbeiter heimlich ab. Dies bedeutet, dass einmal verkündet wird, dass ab sofort solche Abhörmaßnahmen stattfindet, dass aber keiner weiß, ob und wann er abgehört wird. Diese Maßnahme käme bei den Mitarbeitern ja so gut an, da sie endlich auf ihre Defizite und ihre Stärken aufmerksam gemacht würden und bei Defiziten Hilfe bekämen.
Unter welchem Realitätsverlust leiden diese Leute? Niemand wird gerne heimlich abgehört und kontrolliert. Diese totale Überwachung im Callcenter macht krank. Es ist eine anerkannte Erkenntnis, dass jeder Arbeitnehmer einen gewissen Gestaltungsspielraum seines Arbeitsplatzes braucht, um motiviert zu sein. Diesen Kontrollwahn hält auf Dauer niemand aus, weshalb es in Callcentern ja auch eine hohe Personalfluktuation gibt.
Ich erzählte, ich hole jetzt meine Kollegin Käthe von der Arbeit ab. Mit ihr hatte ich die ganze Zeit über per Telefon und SMS Kontakt gehalten. Sie hatte mich sogar in Gehrden im Krankenhaus besuchen wollen, aber als sie kommen wollte, war ich bereits abgehauen.
Der Personaldisponent fragte, ob ich denn mit Käthe shoppen ginge. Argh, Augen-roll. Ich antwortete, der einzige Laden, in den ich shoppen ginge, sei eine Buchhandlung, worauf hin er mir recht gab, er könne Buchhandlungen auch nicht widerstehen.

Käthe und ich wurden von Yvonne begleitet, die auch gerade Feierabend hatte und mit der ich zusammen immer e-mails geschrieben hatte. Wir beschlossen, ins Coffee und Carotts zu gehen, ein vegetarisches Öko-Cafe. Ach ja, das werde ich vermissen. Ich war schon öfter dort, aber erstmals setzte ich mich auf das gemütliche Sofa. Wie meistens bestellte ich den leckeren Salat mit Bratlingen und danach einen Märchenkaffee. Wir ließen es uns gut gehen und plauderten über dies und jenes, natürlich war viel Callcenter-Tratsch dabei. Danach gingen wir tatsächlich noch in eine Buchhandlung auf der Lister Meile, weil Yvonne einen Reiseführer kaufen wollte. Ich kaufte Orhan Pamuks “Schnee”, der Roman war endlich als Taschenbuch erschienen und damit für mich erschwinglich. Interessanterweise lebte der Protagonist Ka in Frankfurt und es war ein wenig Lokalkolorit beschrieben, welches mir auch vertraut war.
Käthe und ich verabschiedeten uns von Yvonne, die in der List wohnte. Käthe hatten den selben Weg wie ich. Sie wohnte in Hemmingen, parkte ihr Auto aber immer in der Nähe der Peiner Straße und fuhr dann mit der Stadtbahn zur Arbeit. In der Nähe der Haltestelle kamen wir an einer Eisdiele vorbei und Käthe lud mich spontan auf ein paar Bällchen Eis ein und fuhr mich dann nach Hause.

Freitag, 14. September

Eigentlich hatte ich an diesem Tag ein Besuch der Esoterikmesse im Kongress-Zentrum geplant. Da ich Samstagmorgen mit auf den Mittelaltermarkt in Bad Münster am Stein fahren wollte, hatte ich mein Zugticket für die Rückfahrt nach Mörfelden zu vorgerückter Stunde um 19:41 gebucht, um bis zum Ende den Vorträgen auf der Esoterikmesse lauschen zu können. Donnerstag hatte ich mich jedoch entschieden, die Messe zu schwänzen und den Freitag besser zu Hause zu verbringen. Ein Messebesuch hätte mich wieder Geld gekostet und meine Finanzlage ist wegen der Ignoranten vom Jobcenter zur Zeit sehr schlecht. Zudem wollte ich mir noch eine Tunika und eine dazu passenden Rock nähen, um meine Garderobe weiter aufzufrischen. Ich musste jedoch feststellen, dass sich der umgeschlagene Schalkragen der Tunika verzog und ich mir ein anderes Patent ausdenken musste, so dass ich die Vollendung des neuen Kleidungsset nicht mehr vor Antritt der Heimreise schaffen konnte. Ich entschloss mich daher, die Nähmaschine im Koffer mit zu schleppen, da ich es ohne sie nicht länger aushalten mochte.
Glücklicherweise half mir im Zug ein Mitreisender, den Koffer auf die Gepäckablage zu hieven und auch das Umsteigen in Frankfurt klappte problemlos.

Hannover ist eine sehr schöne Stadt, in der es sich angenehm leben läßt. Die Seele wird mit viel Grün verwöhnt, irgendwo hinter dem Landesmuseum gibt es eine Wotansstatue, in der Eilenriede in Zoo-Nähe findet sich eines von Deutschlands wenigen Graslabyrinthen, es gibt schöne Cocktailbars und Restaurants, einen gut sortierten Esoterikladen mit eigenem Veranstaltungsprogramm und so weiter und so fort.
Mein nächster Besuch in Hannover wird dem Zweck dienen, meine Sachen zu packen und eine Abschiedstour durch Stadt und Land zu unternehmen. Es tut mir sehr leid um meine wunderschöne Traumwohnung, aber zur Zeit ist sie wie ein Klotz, der mich in den Sumpf des finanziellen Ruins zieht.

Der Beitrag wurde am Sonntag 7. Oktober 2007 um 16:49 veröffentlicht und wurde unter Oberwelt-Abenteuer abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

3 Kommentare

  • RavenRaven sagt:

    Glücklicherweise hast Du Familie und hast die Möglichkeit, die Wohnung im Haus Deiner Mutter zu bekommen. Auch die Gesellschaft in Mörfelden tut Dir gut.
    Deine Wohnung in Hannover ist toll, ich hätte sie jederzeit gegen jede meiner Wohnung eingetauscht. Als ich bei dem Krankenhausbesuch alleine da war habe ich sie erst wieder bewundert, auch die Stadt mochte ich immer.
    Aber der Preis ist zu hoch, wenn Du Dich dafür weiter an einen kaputt machenden Job und ein Dasein alleine ketten musst.

    Deine neue Wohnung mag zwar nicht so toll und außergewöhnlich sein wie die alte, aber es kommt darauf an, was man daraus macht. Mit den richtigen Motiven und etwas Phantasie kann jede ordentliche Wohnung zum Heim werden.
    - Die Erfahrung habe ich ja gerade erst gemacht, eine Traumwohnung aufgeben wegen weniger Geld für eine nicht ganz so tolle Wohnung. Das war die beste Entscheidung der letzten Jahre, zumal ich diese Stadt viel lieber mag.
    Ich denke, Du wirst den Schritt nicht bereuen – und wenn ja, werde ich häufig das Wort “Call-Center” erwähnen, um Dich daran zu erinnern. ;) Allerdings sind Umzüge sehr ätzend und anstrengend…
    Ich komme Dich irgendwann wieder besuchen, egal in welcher Stadt Du wohnst. :smile:

    Sei froh, dass Du den verhassten Call-Center-Job los bist. Ich habe mir immer einen solchen Abgang gewünscht. (In meinen kindlichen Tagträumerein lieber jedoch aus dem Anlass, dass ich einen wohlhabenden Traumprinzen kennengelernt habe, mit dem ich in einem interessanten Land ein vollkommen neues Leben beginne. :lol: )
    Ich denke, ich kann das gut nachvollziehen, mein gesundheitsbedingter Gang in die Teilzeit fühlte sich so ähnlich an. Ich grinse mir jeden Mittwoch einen, wenn ich in Ruhe ausschlafen oder gemütlich Dinge in der Stadt erledigen kann, während meine Kollegen im Büro hocken (und dafür halt entsprechend mehr Geld bekommen). :mrgreen:

    Zum Arbeitsamt kann man nicht viel sagen außer: dumme Bürokraten (sage ich als Beamtin). Dein Fall dürfte ziemlich eindeutig und simpel sein und ebenso dringend, für diese Schlamperei und Hinhalterei gibt es keine Entschuldigung. Da möchte man Amoklaufen. :evil:

    Ich habe den Gedanken daran, dass Deine Krankheit in absehbarer Zeit tödlich ausgehen kann, weitestgehend verdrängt, seitdem es Dir wieder besser ging – die Phase der Dauerheulerei war schlimm genug und ein Grund für meine mittelschwere Depression.:cry:I ch rede auch jetzt nicht gerne darüber…
    Aber letzten Endes stellt sich doch die Frage, ob man lieber noch 30 Jahre vor sich existiert und leidet und unglücklich ist mit seinem Leben oder nur noch 5 Jahre, in denen man wirklich lebt, alles mitnimmt, was man kriegen kann und sich von allen Zwängen frei macht, so weit es geht.

    Den zitierten Satz kann ich gut verstehen, auch wenn ich nicht in Deiner Situation bin. Wenn man aus der Krankheit eine Lehre ziehen kann, dann doch die, dass man sein Leben ändern muss, rigeros. Viel deutlicher kann einem nicht gesagt werden, dass es so nicht weitergeht. Du hattest schon Depressionen und Burn-out, was schon zeigt, dass seelisch vieles nicht in Ordnung war. Es hat nicht gereicht, Du hast notgedrungen und mangels Perspektive weitergemacht wie gewohnt. Also kam der nächste Schlag ins Gesicht, diesmal heftiger.

    Es klingt pervers, aber manchmal beneide ich Dich. Niemand möchte Krebs haben und in absehbarer Zeit daran sterben, ich natürlich auch nicht, aber es scheint mir, als wäre das der nötige Impuls, um zumindest seine Einstellung zu ändern, wenn man schon nichts anderes mehr ändern kann.
    Meine Krankheit sagt mir zwar dasselbe, nur kann man mit ihr bis zum natürlichen Tod leben und sich quälen. Ich hoffe, dass ich die Lektion noch vollständig lerne, bevor sich das Universum oder meine Seele genötigt sieht, ebenso harte Geschütze aufzufahren.

  • PersephonePersephone sagt:

    Um meine wundervolle Wohnung in Hannover und auch um die Stadt tut es mir wirklich leid, aber wie schon gesagt, kann ich nicht einfach weitermachen wie bisher. Ich habe lange genug wie ein Zombie funktioniert und war innerlich wie abgestorben, damit ist jetzt Schluss. Egal wie lange oder kurz mein Leben noch sein wird, die noch vor mir liegende Zeit soll besser sein als die hinter mir liegende Zeit.
    Ich bin schon dabei die neue Wohnung schön zu gestalten. Nach acht Tagen Arbeit habe ich heute das Wandstreichen des Hexenzimmers abgeschlossen: Rauten und Dreiecke in einem dunklen, rötlichen Lila und dazwischen ein Fliederlila. Und ich werde mich sicher noch in einem Organza-Rausch austoben :grin:

    Ich bin auch der Meinung, dass Lebensqualität über Quantität geht und sehr alt werden möchte ich sowieso nicht – nach meinen Erlebnissen mit senilen Alten im Krankenhaus weniger denn je.
    Der Tumor war für mich eine Erlösung aus schrecklichen Lebensbedingungen als Einzelkämpfer und im Callcenter. Ich habe mir geschworen, nie wieder in einem Callcenter zu arbeiten und mich keinem in diese Richtung gehenden Druck zu beugen, aber Angst habe ich schon vor diesem Druck, denn ich bin der Kämpfe schon lange müde und möchte einfach nur in Frieden Leben und Sterben, das kann doch nicht zu viel verlangt sein:!:

    Das schlimme ist ja, dass man mit Burnout und Depression noch lange funktionieren kann, bis man endlich von einem Zusammenbruch erlöst wird. Ich mache das nicht mehr mit, ich werde nie wieder einfach nur funktionieren und dabei ein psychisches Wrack sein. Ohne Krebs hätte ich den Absprung aus dem Callcenter wohl nie geschafft. Zum Glück gibt es Krankheiten, die eine Botschaft an uns haben.

    Was unsere Krankheiten betrifft, so möchte ich tatsächlich nicht mir Dir tauschen. Krebs ist zwar potentiell tödlich, beinhaltet aber auch viele Vorteile wie langfristige Krankschreibung. Du Arme hast eine schlimme, quälende Krankheit und musst trotzdem Tag für Tag in einem Job schuften, der Dich unbefriedigt läßt. Ich kann verstehen, dass Du mich um meine Krankheit beneidest. Nach allem, was ich bisher weiß, bist Du auch eine Krebskandidatin, aber vielleicht schützt Dich Deine Schmerzerkrankung davor.
    Es ist nunmal so bei uns Menschen, ohne Katalysator von außen schaffen wir die transformatorischen Prozesse in unserer Seele meistens nicht. Deshalb sehe ich meinen Krebs als freundlichen Lehrmeister und die Tumorzellen nicht als Feinde sondern als arme verirrte, einsame Zellen, die wieder in den Zellverband integriert werden möchten.
    Ich wünsche Dir natürlich, dass Du Deine Lektionen lernst, ohne Krebs entwickeln zu müssen. Das Tattoo wäre da sicher ein gigantischer Schritt in die richtige Richtung.

  • Persephones Welt » Chronik eines UmzugesPersephones Welt » Chronik eines Umzuges sagt:

    [...] Noch während der Chemotherapie fuhr ich vom 10. bis 14. September 2007 nach Hannover, um nach dem Rechten zu sehen. Damals fasste ich den Entschluss, für immer in M. zu bleiben und meine Wohnung in Hannover aufzulösen. Darüber habe ich an anderer Stelle in meinem Blog berichtet. [...]

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